Woher die Schlehe ihre weißen Blüten hat

Vor langer Zeit hielten die Pflanzen im Wald eine Versammlung ab. Sie forschten nach dem Gewächs, dessen Zweige dereinst dem Heiland als Dornenkrone solche Pein gebracht hatten. Die Wildrose konnte es nicht sein, ihre Ranken hatten viel zu feine und zu weiche Stacheln. Auch vom Weißdorn fiel der Verdacht ab, waren seine Äste doch gar nicht biegsam genug. Schließlich blieben nur der Kreuzdorn und die Schlehe übrig.

Forsch meldete sich der Kreuzdorn zu Wort: „Ich hätte ja schon längst ausgesagt, aber ich musste doch auf die Schlehe aufpassen. Die wollte sich klammheimlich aus der Affäre ziehen – aber ich habe sie an ihren Ausläufern festgehalten. Sie streckte den Soldaten von Jerusalem ihre schwarzen Zweige entgegen, drängte sich ihnen förmlich auf!“ Die Schlehe versuchte, sich gegen diese schweren Beschuldigungen zu wehren. Doch weil der Kreuzdorn gar so bestimmt gesprochen hatte, hörten ihr die anderen Pflanzen gar nicht mehr zu. Mit Schimpf und Schande jagten die Pflanzen die Schlehe davon.

Mit hängenden Ästen saß sie nun traurig am steinigen Abhang. Vor lauter Gram wurde ihre Rinde ganz schwarz. Doch der liebe Gott, der alles gesehen hatte, kam zur Schlehe und tröstete sie. „Du kannst gar nichts dafür, liebe Schlehe – kein Gewächs hätte seine Dornentriebe freiwillig gespendet.“ Und er schenkte der Schlehe zum Zeichen ihrer Unschuld ein reinweißes Blütenkleid. Das darf sie bis heute in der Osterzeit tragen.

Auch zum Kreuzdorn ging der liebe Gott und sah in streng an. Da kreuzte der Kreuzdorn voller Scham seine Zweige. Und trägt sie so bis heute.

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