Das Zimbelkraut

Zimbel- oder Zymbelkraut? Wer kennt’s? Vielleicht eher, wenn es unter anderen Volksnamen auftaucht, etwa Rankendes Löwenmäulchen oder Kriechendes Nabelkraut? Oder nach seinem Vorkommen genannt wird, z.B. Mauerkraut, Schlosskraut, Heidelberger Unkraut – englisch „Oxford weed“ oder französisch „Ruine de Jérusalem“? Klingelt es?

Der deutsche Schriftsteller Ludwig Bechstein (1801-1860) schrieb in „Die Blumen und das Leben“, einem Blumen-Alphabet, über dieses Gewächs mit dem Anfangsbuchstaben Z: „Niedliche Pflanze, du kleidest der alten Ruine Gemäuer, rankend hinab und hinauf blühest du einsam für dich. Sey der Erinnerung Bild, die, der Einsamkeit traute Genossin, oft des vergangenen Glücks sinkendes Luftschloß, umgrünt.“                                   

Links: Zimbelkraut, Mitte: Gewöhnliches Leinkraut, rechts: Löwenmäulchen

Gesehen hat man das Kraut bestimmt schon, aber erkannt und benannt? Das Mauer-Zimbelkraut (Cymbalaria muralis, syn. Linaria cymbalaria) aus der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae) trägt ähnlich wie Leinkraut (Linaria) oder Löwenmaul (Antirrhinum) Blüten, die wie ein Mäulchen mit zwei Lippen verschlossen wirken. Diese sitzen an langen, dünnen, rankenden oder auch kletternden Trieben mit kleinen efeuartigen Blättern, die wie kleine Schüsselchen vertieft sind.

Zimbeln

Sie erinnern an die kleinen Klanginstrumente namens Zimbeln. Mauerwerk von Burgen, Schlössern, Ruinen, Friedhöfen, Gärten oder Parkanlagen sind häufig mit Zimbelkraut bewachsen. Sehr üppig wuchert es am Schloss von Heidelberg, an den ehrwürdigen Gebäuden von Oxford wie auch an den Mauern von Jerusalem. Schon sind die Namen erklärt.

La Columbina von Francesco Melzi

Der Lieblingsschüler und Haupterbe von Leonardo da Vinci, Francesco Melzi (um 1491-1570) schuf 1520 das Gemälde der Colombina (auch Columbine, La Columbina). Es zeigt eine junge Frau mit entblößter Brust, welche Flora, die Göttin des Frühlings und der Blumen darstellt. Die Pflanzen rundherum haben alle eine besondere Bedeutung. Die blaue Akelei in Floras Hand steht als Symbol für das Leben und zeichnet Flora als Herrin aller Blumen aus. Der Jasmin in ihrer Hand spricht von Anmut und Liebe, die Buschwindröschen auf ihrem Schoß erzählen von Zephyr, dem Gott des Windes, mit dem Flora verheiratet war. Der Farn oben links stellt das Geheimnisvolle dar, das Zimbelkraut oben rechts versinnbildlicht die geheimnisvolle Liebe.

Wenn ich das Zimbelkraut bei mir im Garten zwischen den Treppenfugen und in Mauerritzen blühen sehe, erzählt es mir immer gleich solche Geschichten – es hat doch schließlich einen Blütenmund, der tut Liebe kund.

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