Die Kirschen

Mutter.
Hast du, Kind, es denn vergessen,
Was ich sagte, und gegessen
Von der ganz unreifen Frucht?
Sprich, wo hast du sie gesucht?

Kind.
Nein, ich habe nichts gegessen,
Bin nur unter’m Baum gesessen,
Schaute nur die Kirschen an,
Böses hab’ ich nichts gethan.


Mutter.
Schäm’ dich, jetzt erst noch zu lügen;
Alle deine Worte trügen,
Roth ist ja dein ganzer Mund,
Er macht deinen Fehler kund.

Kind. (erschrocken.)
Ach, verzeih’ mir, liebe Mutter,
Soll gewiß nicht mehr gescheh’n.

Mutter.
Nun, ich hoff’ es, denn dem Lügner
Kann es niemals wohl ergeh’n.

August Corrodi (1826-1885), Schweizer Zeichner und Dichter
Aus der Sammlung „Fünfzig Fabeln und Bilder aus der Jugendwelt“

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