Ein Männlein steht im Walde. Eines? Nein, es sind unzählige – und sie stehen mit ihren purpurroten Mäntelein und schwarzen Käppelein auch nicht unbedingt IM Wald, sondern am Waldrand, noch eher in der Hecke: Hagebutten. Mutter Natur hat uns auch dieses Jahr wieder überreich damit beschenkt. Überall hängen die Rosenäpfel, Rosenbeeren, Dornäpfel, Hägen, Hiefen, Hiffen, Hiften, Hetschhiven, Hetscherl, Hetschepetsche, Wiepeldorn oder Pfrousln zuhauf an den langen Stacheltrieben. Sie machen schon aus der Ferne eindrücklich auf sich aufmerksam.
Healthy Food
Was den Gehalt an Vitamin C angeht, sind Hagebutten unter den heimischen Wildfrüchten mit weit über 1000 mg pro 100 g Frischgewicht (bisweilen bis 4000 mg) unschlagbar, selbst der so hoch gehandelte Sanddorn bleibt mit maximal 800 mg weit dahinter. Die Werte können allerdings stark schwanken und sind von vielen Faktoren abhängig, etwa vom Klima, von der Art und Sorte des Rosenstrauchs, von Wachstumsbedingungen, vom Stadium der Fruchtreife und selbstverständlich auch vom Vorgehen bei der Verarbeitung.
Die höchsten Werte an Vitamin C finden sich in bereits voll ausgefärbten, aber noch nicht ganz vollreifen, noch harten Hagebutten. Durch Frosteinwirkung weich gewordene oder einfach mit der Zeit überreif gewordene Hagebutten enthalten deutlich weniger Vitamin C, dafür aber mehr Süße. Carotinoide, Flavonoide, Gerbstoffe, Fruchtsäuren, Pektine, Mineralstoffe nicht zu vergessen.
Rose hips sind hip
Warum sind Hagebutten nicht voll im Trend? Weil sie weder im Großhandel noch auf dem Bauernmarkt frisch zu kaufen sind. Weil es eine stachelige Angelegenheit ist, sie vom Strauch zu ernten. Weil es aufwendig ist, an das rote Fruchtfleisch zu kommen. Und weil die Kernchen viele juckende Härchen tragen. Trotzdem lohnen all die Mühen. Nicht allein wegen ihres gesundheitlichen Werts. Hagebutten sorgen in der Küche für besonderen Geschmack und sind sehr vielseitig einsetzbar. Vom ländlichen Frühstück bis zum extravaganten Diner, bei der rustikalen Brotzeit bis zum Gourmetbuffet.
Von der Frucht zum Mark
Die Früchte sämtlicher Rosen sind genießbar, von wilden Rosen schmecken sie aber am besten. Besonders ergiebig sind die kirschgroßen Hagebutten der Kartoffel- oder Apfelrose (Rosa rugosa), fein herbsüß die schlanken der Hundsrose (Rosa canina), attraktiv die schwarzen der Bibernellrose (Rosa spinosissima).
Von der Frucht zum Mus kommt am besten, wer Hagebutten halbiert und auskratzt, damit die Härchen später nicht zu Unbehagen führen. Roh püriert oder mit wenig Wasser bzw. Saft weich gekocht und dann gemixt, schon ist das Mus fertig. Oder man erntet im Hoch- und Spätwinter die bereits weich gewordenen Hagebutten behutsam und passiert sie umgehend, streicht das gewonnene Mus dann erneut durch ein feines Haarsieb. Die doppelte Arbeit empfiehlt sich, damit die Hagebutten nicht ihrem französischen Namen Gratte-cul oder dem derben deutschen Ausdruck Arschkitzler alle Ehre machen.
Feines Mus
Noch schneller bekommt man Mus, wenn ganze oder halbierte Hagebutten, also Schalen samt Kernchen, weich geköchelt und dann passiert werden. Damit wirklich keine kratzigen Härchen mehr im fertigen Produkt landen, das Mus nochmals ausgiebig mixen.
Das fein passierte Fruchtfleisch der Hagebutten, auch Hiffenmark, Hägenmus oder in der Schweiz Hagebuttenmost genannt, ist eine Delikatesse – allein der hohe Arbeitsaufwand zur Herstellung macht es unendlich kostbar. Ob süß oder herzhaft, Hagebuttenmus ist überaus kombinationsfreundlich, es harmoniert mit Früchten wie Äpfeln, Birnen, Aprikosen, Pfirsichen, Orangen ebenso wie mit Gemüse wie Kürbis, Sellerie oder Tomaten. Auch mit Gewürzen wie Ingwer, Zimt, Kardamom oder Chili verträgt es sich bestens. Mit etwas Honig unter Joghurt gerührt – fertig ist ein herrlicher Frühstückssnack oder mit Löffelbiskuits angereichert ein wunderbares Dessert. Hagebuttenmus mit Tomatenmark, Ingwer und Peperoncini – fertig ist ein delikates Ketchup oder eine Pastasauce.