Man muss nicht immer prächtig sein

Mausgraues Dasein muss nicht heißen, dass es nichts taugt, zu nichts nutze ist, ausgemerzt werden kann. Unscheinbares – oder vorschnell als hässlich abgewertetes – kann über ungeahnte Kräfte verfügen. So etwa der Klettenkerbel (Torilis japonica), auch Borstendolde genannt. Zuerst erscheint er mal nur lästig, seine kleinen Klettfrüchte findet man an Strümpfen, Schuhen und im Fell der Haustiere wieder, woraus man sie mühsam herauszupfen muss.

Der Klettenkerbel wächst an Hecken und Wegrändern, fällt mit seinem trübgrünen fiederschnittigen Laub kaum auf. Die drahtigen Stängel sind borstig behaart und tragen im Hochsommer weiße, sehr filigrane Doppeldolden. Aus den Blüten entstehen gerippte und allseits mit Borsten versehene Früchte, die sich in Kleidung und Fell festhaken – lästig wie Kletten, sie werden auch als Bettlerläuse oder Bubenläuse bezeichnet. Erst auf den zweiten Blick gibt der Doldenblütler seine Reize preis. Seine Blüten sind, aus nächster Nähe betrachtet, einfach eine Wucht. Bieten Insekten Nahrung. Wie raffiniert die Natur alles gestaltet hat.

Und wer erst weiß, dass im Klettenkerbel ungeahnte Schätze liegen. Aus seinen Früchten haben Wissenschaftler einen Stoff gewonnen, das Sesquiterpen Torilin. Zunächst ist das nur für einen zart-bitteren Geschmack verantwortlich. Aber es hat sich gezeigt, dass Torilin über vielseitige Wirkungen verfügt. So kann Torilin gegen Krebszellen eingesetzt werden, gegen die kein Zytostatikum mehr wirkt. Diese Krebszellen können nämlich Arzneistoffe mittels bestimmter Eiweiße aus ihren Membranen aus ihrem Inneren wieder herausschleusen und damit wirkungslos machen. Torilin unterbindet dies.

Torilin hilft zudem wohl gegen Haarausfall und Prostatavergrößerung sowie Hyperpigmentierung (z.B. Sommersprossen, Altersflecken). In Japan wird der Klettenkerbel gegen Krätze und Juckreiz, gegen Gedächtnisstörungen und Impotenz eingesetzt. Wer weiß, was noch so alles im Klettenkerbel steckt? Ach ja, essen kann man die Pflanze auch… Die Blätter schmecken aromatisch, ähnlich wie Kerbel. Wildes Suppengrün, so lautet ein alter Name vom Klettenkerbel.

3 Gedanken zu „Man muss nicht immer prächtig sein“

  1. Ohja, manches Wunderkraut ist wirklich auf den ersten Blick unscheinbar oder wird gar nicht richtig gewürdigt: Giersch (ok, im Garten kann er eine Plage werden) oder Vogelmiere sind auch solche Kandidaten.

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  2. Liebe Karin Greiner,

    ich hatte heute einen bebildeten Beitrag in Facebook erstellt, in dem es um Bestimmung von Doldenblütlern ging. Ich habe mir bewusst Taumel-Kälberkropf und Klettenkerbel ausgesucht, weil beide doch einige optische Gemeinsamkeiten haben und viele der gängigen Bestimmungs-Apps bei manchen Pflanzenteilen ein komplett falsches Ergebnis liefern.
    Gerne habe ich im Anschluss auf diesen Artikel verwiesen, um mehr
    Infos zum Klettenkerbel zu bekommen. Leider stelle ich gerade fest, dass die hervorragenden Bilder gar nicht mehr angezeigt werden.
    Liebe Grüße
    Ihre
    Dagmar Tischer
    http://www.wildkraeuterkunde.de

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