Die Pflanzen ziehen sich allmählich zurück, auch wenn der Winter scheinbar noch in weiter Ferne liegt. Wurzelzeit! Wer jetzt eine Echte Nelkenwurz (Geum urbanum) aus der Erde holt, wird mit einem wundervollen Duft belohnt. Kräftig würzig, eben nach Gewürznelke – denn in der Nelkenwurz steckt dasselbe ätherische Öl wie in den Knospen des tropischen Gewürznelkenbaums (Syzygium aromaticum): Eugenol.
Eugenol dient in der Industrie auch als Ausgangsstoff zur Herstellung von Vanillin, in der Pflanzenheilkunde wird es bei Zahnschmerzen und Zahnfleischproblemen eingesetzt. In der Küche würzt man damit Speisen und Getränke, in der Kosmetik zur Parfümierung. Wer mal so richtig seine Nase in Eugenol tauchen will, der kann sich Gewürznelken kaufen – oder eben eine Nelkenwurz ausgraben.
Dafür suche ich mir eine schöne Pflanze, die möglichst noch nicht geblüht hat. Die Blattrosette packe ich am Schopf und steche rundum mit einem Wurzel- oder Unkrautstecher ein. Dann heble ich den Wurzelstock heraus. Sorgfältig von Erde befreit und gründlich gewaschen, etwas angetrocknet entfaltet er dann seinen unverwechselbaren, warm-würzigen Duft.
Das meiste Aroma steckt übrigens in den feinen Wurzeln. Im etwa fingerdicken Wurzelstock sind dagegen mehr Gerbstoffe enthalten, die an der Luft oxidieren und für eine oft sehr intensive Rot- bis Violettfärbung sorgen. Das macht die Wurzel zu einem bevorzugten Heilmittel gegen Magen-Darm-Beschwerden. Früher wurde Nelkenwurz sogar zur Bierzubereitung verwendet, die Gerbstoffe sorgten für Haltbarkeit, die ätherischen Öle wie Eugenol für Geschmack. Wegen ihres starken Dufts hielt man die Nelkenwurz als Mittel, um Dämonen abzuwehren, deshalb kam sie zerrieben ins Malefiz-Pulver. Nach Hildegard von Bingen, die große Stücke auf die Nelkenwurz hielt, ist die Nelkenwurz eine wertvolle Medizinalpflanze, zudem entflammt sie die Manneskraft.