Ein altes Gemüse, das unbedingt neue Impulse braucht, um wieder trendy zu werden. Holen wir den Guten Heinrich (Blitum bonus-henricus, syn. Chenopodium bonus-henricus) aus seiner Arme-Leute-Gemüse-Ecke heraus, machen wir den Wilden Spinat zum Star der Foodies.
Er mag es gern wild
Das Gänsefußgewächs ist ziemlich selten geworden, in sauber aufgeräumten, misthaufenfreien Ortschaften oder entlang steril gepflegter Wegränder findet man ihn gar nicht mehr. In den Bergen allerdings freue ich mich, den Guten Heinrich an vielen Stellen zu treffen – entlang von Zäunen, an Hausmauern, vor Almhütten. Ich habe mir sagen lassen, dass Insider ihn in einem versteckten Gartenwinkel sogar anbauen…
Ins Abseits gerückt
Als ehemals alltägliche grüne Kost wurden dem Guten Heinrich „bessere Gemüse“ vorgezogen, wurde er von Spinat verdrängt. Ähnlich erging es seinen botanisch nahen Verwandten Gartenmelde (Atriplex hortensis) und Erdbeerspinat (Blitum capitatum). Das gipfelt darin, dass heute Quinoa (Chenopodium quinoa) und Amaranth (Amaranthus caudatus) aus den fernen Anden einen wesentlich höheren Bekanntheitsgrad haben, beide ebenfalls aus derselben Pflanzenfamilie. Quinoa avanciert zum Superfood, soll als anspruchslose „Wunderpflanze“ den Welthunger im Zeichen des Klimawandels stillen. Und wo bleibt da der Gute Heinrich?
Zeigt sich vielseitig
Hoffentlich nicht in der Versenkung des Vergessens, denn Guter Heinrich, Melde wie Erdbeerspinat gehören zu Essenskultur und Küchentradition wie Wurst und Käse, Rote Bete und Kartoffeln, Äpfel und Erdbeeren. Typisch für die schlichte, rustikale Almküche kann Guter Heinrich sich aber auch ins Multi-Kulti-Food oder in exquisite Sterneküche einbringen. Oft liegt es nur an einer ansprechenden Vorstellung: „Souffle de chénopode bon-henri“ oder „Lincolnshire Asparagus“ machen doch mindestens neugierig.
Schmeckt in allen Teilen
Die dreieckigen Blätter können wie Spinat verwendet werden. Gut waschen, blanchieren und Kochwasser verwerfen, dabei verliert sich der mehlige Blattbelag. Weil sie eine so außergewöhnliche Gestalt haben, backe ich sie gerne in Filoteig gehüllt zu Knusperblättern aus, dazu gibt es einen würzigen Kräuterdip. Noch junge Blütenstände sind nutzbar ähnlich Brokkoli. Stängel werden wie Mangoldstiele verarbeitet. Wer Guten Heinrich im Frühjahr bzw. nach kräftigem Rückschnitt anhäufelt oder ihm einen Kübel überstülpt, bekommt lange, zarte, bleiche Stiele à la Spargel.
Samen können gemahlen und ins Brot gegeben werden. Oder als Ersatz für Quinoa – hierfür eignen sich besonders die ergiebigen Fruchtknäuel vom Gänsefuß – in Füllungen, für Grützen und über Salate. Vor der Zubereitung einige Stunden einweichen und mehrfach mit Wasser spülen, um die in den Schalen sitzenden Saponine zu entfernen (Saponine wirken in größeren Mengen abführend; sie sind auch im Quinoa-Korn enthalten, nur wird dieses geschält).
Farinello buon-enrico, Good-King-Henry, Brave Hendrik, Bergspinat oder eben Heinrich – der gute. Gibt’s kostenlos, ist aber immer kostbar. Guten Appetit.