Eitel Blumenschein 2. Teil

Eine Geschichte über besondere Beziehungen, über Vorlieben und Abneigungen, über Hochmut und Standesdünkel und was daraus folgt, zweiter Teil:

Es war für die Lichtnelken eine schauerliche Vorstellung, dass sich eine schwergewichtige Hummel an ihren zarten Blütenkelchen niederlassen könnte. Liebe Güte, solche Lasten könnten wir doch gar nicht tragen, stöhnten die Lichtnelken auf, unsere zarten Stängel würden unweigerlich einknicken. Das Gebrumme würde uns erschüttern, all den kostbaren Pollen aus den Beutelchen unnütz herausschütteln. Plumpe Proleten, kein Sinn für Feines. Hoffentlich fliegen die Bienen vorbei, mokierten sich die Lichtnelken, diese Workaholics bringen einen doch bloß um den Verstand. Ständig wollen sie Nektar trinken, nebenbei packen sie sich sämtlichen Blütenstaub in die Hosentaschen. Blühen ist eine sehr ruhige Angelegenheit, Schönheit muss man beschaulich präsentieren, eine blühende Wiese ist doch kein Rummelplatz. Käfer? Die sind alles andere als zart besaitet. Ob sie gerade Durst oder andere Dinge im Kopf haben, mit steifen Kratzbeinen und derben Kieferzangen gehen sie nicht zimperlich vor und zerfetzen feine Blütenkleider, führen sich auf wie Hooligans. Vor denen fürchteten sich die Lichtnelken besonders. Und erst Fliegen, dieses unerträgliche Geschmeiß. Die sollten bleiben, wo das Hornkraut wächst! Die Lichtnelken nickten sich zu, dass diese Nerds nun wirklich vollkommen überflüssig waren. Angewidert stellten die Lichtnelken sich vor, nervige Ameisen liefen ihre schlanken Stängel hinauf, hinab, hinauf, hinab, um vielleicht auch noch Blattlausherden an ihren Knospen zu hüten. Es ließ ihnen beängstigende Schauer über den Stängel laufen. Igitt, schnell legten sie sich zur Abwehr klebrige Haare an Trieben und Blättern sowie Leimringe unter ihren Blattknoten zu.

Was waren Schmetterlinge dagegen für besondere Geschöpfe. Playboys, Papagallos, Bonvivants. Schillernd, glitzernd, funkelnd. Elegant, anmutig, makellos. Rücksichtsvoll, sachte, feinfühlig.  Eben kein gewöhnlicher Insektenplebs, sondern Haute Volée, High Society, Schickeria. Die Lichtnelken wähnten sich schon als die Superstars der Wiese. Superstars brauchen Bewunderer, Verehrer, Fans, also eiferten sie immer mehr darum. Aber sie wollten nicht jeden Flügel, jedes Beinchen als Gefolgschaft. Für sie kamen allein die Schmetterlinge in Betracht.  Sie verbargen ihren köstlichen Nektar noch tiefer in engen Röhren, damit wirklich nur die Falter mit ihren langen feinen Rüsseln sich daran laben konnten. Sie sonnten sich im Glanz der schwebenden Juwelen, wähnten sich ebenso außergewöhnlich wie die Flattertiere. Vor lauter Überheblichkeit plusterten sie auch noch ihre Kelche auf, ballonartige Unterröcke unter den gekrönten Kronen.

Fortsetzung morgen…

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