Heilsames im Buchenwald

Noch sind die Kronen der Buchen (Fagus sylvatica) kahl, die Sonne kann ungehindert auf den Waldboden scheinen. Dort beeilen sich jetzt eine große Reihe Pflanzen, das Licht zu nutzen – bevor es unter dem Laubdach zu finster zum Gedeihen wird. Unter den Frühblühern, die den frühlingshaften Buchenwald so attraktiv machen, grünen und blühen jetzt Sanigl oder Sanikel. So heißt man Pflanzen, die über große Heilkräfte verfügen sollen. Die Namen leiten sich ab von lateinisch sanare = heilen. Beispielsweise Bingelkraut, Zahnwurz oder Sterndolde. Heilpflanzen? Der eigentliche Sanikel wird auch Heil aller Schäden oder Fünfwundenkraut genannt.

Heil aller Welt, Heildolde oder Heilblattl

Sanikel (Sanicula europaea)

Der Echte Sanikel (Sanicula europaea), neben den in der Überschrift erwähnten Namen auch Wald-Sanikel, Waldklette oder eben nur Sanikel genannt, gehört zu den Doldenblütlern, was aber auf den ersten Blick gar nicht so leicht zu erkennen ist. Das kleine Kraut wächst in Laub- und Mischwäldern auf leicht feuchten, humusreichen Böden – beispielsweise in Buchenwäldern. Die gefiederten Blätter werden aufgrund ihres Saponingehalts heute noch gelegentlich als Hustenmittel genutzt. Früher jedoch galt der Sanikel als eines der berühmtesten Wundkräuter, mit dem man nicht nur Hieb- und Stichwunden, auch Schrunden, Verbrennungen, sogar Brüche behandelte. Aufgrund seiner Blattform und des Vorkommens hat man den Sanikel schon immer mit vielen anderen Pflanzen schlicht verwechselt.

Waldmännlein, Diebswurz, Schmale Grete

Bingelkraut (Mercurialis perennis)

Das Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis), neben den oben erwähnten Namen auch Schlangen- oder Platzkraut geheißen, wächst oft zusammen mit dem Sanikel, lässt sich bei flüchtigem Hinsehen auch damit verwechseln. Als Wolfsmilchgewächs gilt es zwar als giftig, wurde früher aber durchaus als Abführmittel eingesetzt. Für den Menschen ist das sehr merkwürdig, nach altem Fisch riechende Kraut kaum gefährlich, Haustiere jedoch zeigen nach dem Fressen von Bingelkraut sehr heftige Vergiftungserscheinungen, daher auch die Bezeichnung Blutgras. Woher sich der Name Bingel-Kraut herleitet, ist nicht bekannt. Vielleicht von Binkeln, also Pickeln? Denn dagegen wird Bingelkraut bis heute homöopathisch verwendet.

Grimmwurz, Donnerwurz, Windwurzel

Weiße Zahnwurz (Cardamine enneaphyllos)

Die Quirlblatt-, Neunblättrige oder Weiße Zahnwurz (Cardamine enneaphyllos, Dentaria enneaphylla) wird neben den oben stehen Namen auch als auch Weißes Sanikel bezeichnet. Der Kreuzblütler hat ein weißfleischiges Rhizom mit Blattnarben, die an Zähne erinnern – daher der Name Zahnwurz. Der Wurzelstock riecht kräftig nach Rettich. Daraus machte man die „Sanigl-Schmier“, eine einfache Heilsalbe aus Schweineschmalz, zur Behandlung von allerlei Wunden. Die Senfölglycoside darin gelten als antibiotisch wirksam.

Kaiserwurz, Meisterwurz, Mutterwurz

Sterndolde (Astrantia major)

Die Sterndolde (Astrantia major), auch Große Strenze geheißen sowie mit den in der Überschrift stehenden Namen belegt, entfaltet dem Sanikel ähnliche Blätter und gehört wie dieses zu den Doldenblütlern. Der Volksmund nennt diese Pflanze auch Weiblicher Sanikel oder Sanikel Weible. Fünffingerkraut, Wohlstand oder Frauenmantel sind weitere Volksnamen. Wurzeln und Blätter wurden früher zur Magenstärkung und zur Verdauungsförderung sowie bei Atemwegserkrankungen angeraten.

Noch mehr Sanikel

Schuppenwurz (Lathraea squamaria)

Mit dem Namen Sanikel werden noch ein paar mehr Pflanzen angesprochen, etwa die Schuppenwurz (Lathraea squamaria), das Aurikel (Primula auricula) und der Rundblättrige Steinbrech (Saxifraga rotundifolia). Teils beruht dies auf Verwechslungen, teils auf ähnliche Verwendung, insbesondere bei Krankheiten der Lunge.
Was Sanikel allerdings mit dem Sau-Nickel (so nennt man einen hinterhältigen oder auch schmutzigen Menschen, oder laut alter Wörterbücher den Verlierer beim Kartenspiel Saunickeln) zu tun hat, konnte ich nicht ergründen…

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