Der Himmel öffnet seine Schleusen, pünktlich zum Wochenende. Das verdrießt viele, macht dicke Striche durch die Rechnungen, die man sich die ganze Woche mit Schönwetter zurecht gestrickt hatte. Graue Wolken, schwere Regentropfen, kalte Luft – schlechte Laune… Kommt aber doch nur darauf an, wie man es sieht. Endlich sauber gewaschene, gut angefeuchtete Luft und angenehme Kühle, endlich kein Staub, keine Hitze, keine sengende Sonne.
Dem Himmel sei Dank
Im Regen draußen spazieren gehen, durch Pfützen hüpfen, Himmelsnass auf der Haut spüren – sind das nicht letzte Abenteuer in unserer so ausgereizten Welt? Solche Abwechslungen gönnen wir uns viel zu selten (aber nicht, weil es zu wenige Gelegenheiten gäbe, sondern weil wir die Gelegenheiten einfach nicht wahrnehmen). Also auf, genießen wir diesen Regentag! Mir klingen immer die Zeilen „Lass regnen, was es regnen will! Lass allem seinen Lauf! Und wenn’s genug geregnet hat, So hörts auch wieder auf.“ von Friedrich Halm (1806-1871) durch den Kopf. Ich gehe jetzt raus, Regenduft schnuppern, Regenmusik lauschen, Regenluft schöpfen. Vielleicht ermuntert das folgende Gedicht auch die letzten Zauderer:
Regen
Du gehst. Und der Asphalt ist plötzlich nass
und plötzlich ist das Grün der Bäume neu
und ein Geruch wie von ganz frischem Heu
schlägt dir in dein Gesicht, das heiß und blass
auf diesen Regen wohl gewartet hat.
Die Gräser, welche staubig, müd und matt
sich bis zur Erde haben hingebeugt,
sehen beglückt die Schwalbe, welche nahe fleugt,
und scheinen plötzlich stolz zu sein.
Du aber gehst. Gehst einsam und allein
und weißt nicht, sollst du lachen oder weinen.
Und hier und da sind Sonnenstrahlen, welche scheinen,
als ginge sie der Regen gar nichts an.
Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942)