Schachtelhalme

Für viele sind es bestaunenswerte Urweltpflanzen, mit denen man sich schier ins Dino-Zeitalter zurückbeamen kann, für andere erstrebenswerte Nutz- und Heilpflanzen, mit denen man putzen, polieren, Pflanzenschutzmittel ansetzen oder den Organismus kräftigen kann, und manche halten das „Unkraut“ für ausrottungswürdig, weil es den Garten verunziert. Wie immer ist an allem was dran, es kommt halt auf die Sichtweise an.

Boten versunkener Welten

Nahezu 400 Millionen Jahre besiedeln Schachtelhalme schon unseren Planeten, einst als baumartige Gestalten. Ihre große Errungenschaft waren Wasserleitungen, röhrenartige Strukturen, deren Zellwände mit reichlich Kieselsäure verstärkt auch Festigkeit verliehen. Somit konnten die Schachtelhalme riesig werden. Heute gibt es nur noch rund 20 Arten, allesamt kleine Kräuter. Selbst wenn eine davon sich Riesen-Schachtelhalm nennt – der heimische Equisetum telmateia bleibt mit 60 cm vergleichsweise zwergig (der in Süd- und Mittelamerika heimische Equisetum giganteum kann immerhin 5-6 m hoch werden).
Kieselsäure verleiht den Schachtelhalmen nicht nur Stabilität, sondern bewahrt sie auch vor schneller Zersetzung. Wie bei prähistorischen Farnen, die zur Festigung Lignin (Holzstoff) „erfunden“ haben und was damals noch keine Mikroorganismen zersetzen konnten, sanken die Schachtelhalmbäume in den Schlamm und wurden zu Kohle, Erdöl, Erdgas. Was an Kohlenstoff im Karbon (Kohlenzeitalter) in über 50 Millionen Jahren von Schachtelhalmen, Bärlappen, Farnen und frühen Nadelbaumformen gebunden und im Untergrund versenkt wurde, hat der Mensch zum größten Teil innerhalb weniger Jahrzehnte wieder hervorgeholt, in die Luft geblasen und damit das Klima mit verändert.

Pflanzen mit vielfältigem Nutzen

Nur kurz aufgelistet, wie nützlich sich Schachtelhalme erweisen: Seit alters her verwendet man sie als Putz-, Scheuer-, Polier- und Schleifmittel, vor allem für Zinn (Zinnkraut), Kupfer oder Aluminium, aber auch für feine Hölzer in der Kunstschreinerei oder im Instrumentenbau. Ein dickes Büschel Schachtelhalm, zusammengeknüllt und nass gemacht, kann durchaus einen Scheuerschwamm aus Kunststoff ersetzen, vollständig abbaubar und ohne auch nur einen Hauch von Mikroplastik. Schachtelhalm kann zum Färben genutzt werden, für Wolle und Stoffe wie für Ostereier.
Im Garten macht sich Schachtelhalm sehr nützlich, indem er andere Pflanzen stärkt. Seine Kieselsäure verleiht Rosen, Gurken, Pfirsichen und vielen anderen Gewächsen eine „dicke Haut“. Pilze und Bakterien können kaum noch ins Gewebe eindringen, nachdem man die Pflanzen mit Spritzbrühen aus Schachtelhalm behandelt hat.
Schachtelhalm, und zwar einzig der Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense) wird seit jeher in der Heilkunde genutzt. Zur Durchspülungstherapie bei Nieren- und Harnwegsinfekten, Rheuma oder unterstützend bei Diäten, aufbauend und festigend für Bindegewebe und Haut sowie zur Wundheilung. Man sollte wissen, welchen Schachtelhalm man dafür sammelt – es muss der Acker-Schachtelhalm sein, keinesfalls der giftige Sumpf-Schachtelhalm (Equisetum palustre).

Erkenne den richtigen

Das Verhältnis zwischen Schaft am Haupttrieb und Länge des ersten Seitentriebglieds ist entscheidend

Bloß nicht darauf vertrauen, dass der Acker-Schachtelhalm am Acker, der Sumpf-Schachtelhalm im Nassen wächst, obwohl es die Namen vermuten lassen. Beide können sogar miteinander, nebeneinander wachsen. Da heißt es schon genauer hinsehen: Es gibt markante Unterschiede.

Sumpf-SchachtelhalmAcker-Schachtelhalm
sterile und fertile Sprosse sind gleich gestaltet, erscheinen zur selben Zeit, zapfenartige Sporenähre sitzt auf grünen Triebensterile Sprosse sind grün und verzweigt, fertile Sprosse sind braun, unverzweigt und erscheinen im zeitigen Frühjahr, grüne Treibe tragen niemals eine zapfenartige Sporenähre
das untere Glied am Seitenast ist kürzer als die Scheide am Haupttrieb (Sumpf — kurz)das untere Glied am Seitenast ist länger als die Scheide am Haupttrieb (Acker — lang)
zupft man sämtliche Seitentriebe bis auf die unteren Abschnitte eines Quirls ab und entfernt den Haupttrieb darüber, ergibt sich ein Bild wie bei einer Tannenbaumspitze (damit lässt sich nicht putzen)zupft man sämtliche Seitentriebe bis auf die unteren Abschnitte eines Quirls ab und entfernt auch den Haupttrieb darüber, entsteht ein „Besen“ (Ackerschachtelhalm fegt den Körper, putzt das Geschirr)
Auch im Querschnitt des Haupttriebs gibt es Unterschiede: Links Sumpf- und rechts Acker-Schachtelhalm

Erkenne die Werte

Zeigt sich vermehrt Schachtelhalm auf dem Acker oder im Gartenbeet, ist das immer ein Zeichen für einen verdichteten Untergrund. Es hilft nichts, den Schachtelhalm dafür verantwortlich zu machen – es muss die Bewirtschaftung, die Pflege geändert werden. Wer’s nicht begreift, muss ab sofort den Schachtelhalm als Puzzle-Kraut verwenden…

2 Gedanken zu „Schachtelhalme“

  1. Hallo,
    Gibt es eine Begründung, warum die Schachtelhalme nicht mehr so hoch wachsen (können), wie früher? Womit hängt das zusammen?
    Vg

    Antworten
    • Andere Pflanzen, insbesondere Nadelbäume und Laubbäume, sind durch neue Entwicklungen in Morphologie und Stoffwechsel wesentlich besser an die heutigen Gegebenheiten angepasst. Dadurch sind sie konkurrenzstärker und lassen den Schachtelhalmen keine Chance.

      Antworten

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