Mehr als nur Beerenfreuden

Borstige, dornige Sträucher? Ja, das sind sie, aber das schmälert das Begehren nach den Früchten der beiden Beerensträucher kaum. Süße Himbeeren und würzige Brombeeren gelten als besonders köstliches Obst. Vor lauter Fruchtgenuss sollte man aber nicht vergessen, dass an den langen Ruten auch heilkräftige Blätter wachsen.

Zwei wilde Waldsträucher

Nicht nur dieses Jahr kann man in hiesigen Wäldern reiche Ernten eintragen. Himbeeren wie Brombeeren tragen schwer an der Last ihrer vielen Früchte. Leider ärgert man sich oft über die weithin bekannten Beerensträucher. Denn die aufrecht wachsenden, borstig behaarten Triebe der Himbeere (Rubus idaeus) bilden oft undurchdringliches Dickicht, an den Zweigen scheuert man sich die Haut auf.

Noch weniger beliebt macht sich die Brombeere (Rubus fruticosus), deren lange, bogenförmig über den Waldboden sich schlängelnden Triebe wie Fußangeln ausgeworfen scheinen. Schon mancher Waldbesucher ist über sie gestolpert und hat sich an kräftigen Stacheln, Haifischzähnen nicht unähnlich, Arme und Beine zerkratzt. Doch gemäß altem Glauben streift, wer unter Ruten und Ranken hindurchkriecht, sämtliche Krankheiten ab.

Nähert man sich den Sträuchern jedoch mit gebotener Umsicht, entdeckt man wunderschöne Blüten zwischen fein gezähnten Laubblättern. Strahlend weiß, oft rosarot überhaucht erinnern die Blüten an die weit geöffneten Schalen wilder Rosen. Kein Wunder, sind Himbeeren und Brombeeren doch mit Hecken- und Hundsrosen eng verwandt, gehören wie diese zur Familie der Rosengewächse.

Tee für jeden Tag

Seit der Antike nutzt man sowohl Himbeeren wie Brombeeren für die Ernährung, aber auch als Heilpflanzen. Besonders die Blätter sind in der Volksheilkunde anerkannt. Junge Blätter verströmen einen angenehmen Geruch, der an eine Mischung aus Blumenwiesenheu und Waldboden erinnert. Sie schmecken zart säuerlich, leicht herb und fein würzig, hinterlassen beim Kauen ein trockenes Mundgefühl. Viele Gerbstoffe zeichnen dafür verantwortlich, dazu Flavonoide, Pflanzensäuren und Vitamin C. Während Himbeeren ihre Blätter im Herbst abwerfen, bleiben Brombeerblätter den Winter über grün und lassen sich sogar bei Schnee und Eis noch pflücken.

Seit alters her werden Himbeer- wie Brombeerblätter für Tee gesammelt. Man brüht sie frisch oder getrocknet auf, trinkt diesen Tee zum Frühstück oder auch über den Tag verteilt, als Durstlöscher oder bei akuten Beschwerden wie Durchfall. Eine Mischung aus Himbeer- und Brombeerblättern, ergänzt durch ein wenig Laub von Erdbeeren und Schwarzen Johannisbeeren, ergibt einen außerordentlich wohlschmeckenden Haustee, der früher in fast jedem Haushalt vorrätig gehalten und häufig getrunken wurde.

Besondere Eleganz erhält ein solcher Aufguss, wenn man die Blätter fermentiert. Die unter Luftabschluss mittels Enzymen umgewandelte Blattware ist dann nicht mehr grün, sondern dunkelbraun bis schwarz, duftet zart nach Rosen und schmeckt ähnlich wie feinster chinesischer oder indischer Tee aus der Teepflanze. Koffein ist allerdings weder in Himbeeren noch in Brombeeren enthalten.

Anders als bei anderen Heilpflanzen darf man Tee aus Himbeer- und Brombeerblättern ganzjährig in beliebigen Mengen genießen. Pfefferminze, Kamille oder Holunderblüten dagegen sollen höchstens ein paar Wochen in die Tasse kommen, dann wird eine mehrwöchige Pause eingelegt – um Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden oder Gewöhnung des Körpers auszuschließen. Der him-brombeerige Haustee gilt als hervorragendes Stärkungsmittel für die Immunabwehr, hebt die Abwehr gegen Erkältungskrankheiten und hält fit.

Für Schwangere unentbehrlich

Ein Tee aus Himbeerblättern, reich an Eisen und Calcium, wird von vielen Hebammen zur Geburtsvorbereitung, vor allem zur Prophylaxe gegen einen Dammschnitt empfohlen. In den ersten Monaten gar nicht, ab dem fünften Monat immer wieder, in den letzten Wochen vor der Geburt täglich eine Tasse soll die Schwangere trinken. Das bereitet das Gewebe optimal auf die Belastungen vor, denn der Tee stärkt die Muskulatur des Beckenbodens, kräftigen die Schleimhäute und lösen Verkrampfungen. Nach der Entbindung hilft der Himbeerblättertee, den Milchfluss anzuregen und die Rückbildung zu fördern. Doch es gibt unterschiedliche Meinungen, einige Hebammen empfehlen den Himbeerblättertee kurz vor der Geburt durch Frauenmanteltee zu ersetzen, um eine gute Rückbildung zu fördern.

Himbeerblätter können dem weiblichen Organismus auch in anderen Fällen hilfreich zur Seite stehen. Die allgemeine Befindlichkeit vor den Tagen lässt sich ebenso günstig beeinflussen wie die Empfindung in den Wechseljahren. PMS (prämenstruelles Syndrom) wie Störungen im Zyklus kann man versuchen, durch regelmäßiges Trinken des Tees zu lindern.

Brombeerblättertee wird bei akutem Durchfall eingesetzt, aber auch zum Gurgeln bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhäute. Vermischt mit Lindenblüten dient er als Schweißtreiber gegen Fieber, mit Spitzwegerich gegen Husten. Äußerlich wird der Aufguss aus Himbeer- oder Brombeerblättern bei Hautentzündungen für Waschungen oder Umschläge genutzt.

Fruchtiges für den Gaumen

„Esset Himbeeren und Brombeeren. In ihrer Frucht ist Üppigkeit und sie schadet weder Gesunden noch Siechen.“, schreibt Hildegard von Bingen, die berühmte Heilwissende aus dem Mittelalter. Frische Himbeeren wirken wegen ihres hohen Schleimstoffgehalts gesundend auf das Verdauungssystem, dazu wirken sie mild entwässernd.

Brombeersaft, frisch gepresst und leicht erwärmt, empfiehlt die Volksheilkunde gegen Heiserkeit und Mandelentzündungen. Die frischen Früchte werden gegen Nervosität und Stress angeraten. Gemeinsam mit den gleichzeitig reifenden Beeren des Schwarzen Holunders (Sambucus nigra) zu Marmelade oder Kompott verkocht, erhält man ein hervorragendes Vorsorgemittel gegen grippale Infekte – das gleichzeitig auch noch wunderbar schmeckt.

Jungbrunnen in rot

Himbeeren gehören zu den überaus gesunden Obstsorten. Obwohl Himbeeren viel mehr Fruchtsäuren enthalten als Johannisbeeren, schmecken sie viel süßer. Das liegt am hohen, abmildernden Schleimstoffgehalt, der die Säure kaum spüren lässt. Ihr Reichtum an Mineralstoffen und Vitaminen, vor allem Biotin, macht sie zu schmackhaften Waffen gegen vorzeitiges Altern, sorgen für ein gutes Aussehen von Haut und Haaren.

Black is beautiful

Brombeeren gelten dank der vielen dunklen Farbstoffe als Stärkungsmittel für die Augen. Ihr hoher Pektingehalt in den Früchten macht es oft möglich, dass Saft beim Einkochen ganz von allein geliert. Als lösliche Ballaststoffe tun sie Magen und Darm nur Gutes. Die Farbstoffe wirken zudem als Radikalfänger und verhindern das Altern der Zellen. Ein bemerkenswert hoher Eisengehalt in den Brombeeren macht sie zu wertvollen Blutbildnern und Abwehrhelfen gegen Erkältungskrankheiten. In den dunklen Perlen ist weiterhin reichlich Kupfer zu finden. Ein Mangel an Kupfer spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von degenerativen Krankheiten wie Alzheimer.

Feines zum Streuen

Wenn es eine wahre Schwemme an Him- und Brombeeren gibt, wohin damit? Gleich in den Mund… aber bald ist da kein Platz mehr. Also Marmelade, Kompott, Saft kochen – und wegen der vielen Kernchen, die bei vielen so unbeliebt sind, durch Sieb passieren.

Lässt sich mit dem Rest noch etwas anfangen? Ja, sehr wohl! Rückstand aus dem Sieb dünn auf Backpapier ausstreichen und trocknen, bei 50 °C im Backofen oder bei warmer Witterung mehrere Tage an der Luft. Die trockene Platte in Stücke brechen und im Mixerverarbeiten, dann sieben. Weil an den Kernen noch erstaunlich viel Fruchtfleisch hängen blieb, kommt ein rosa bzw. lila Fruchtpulver heraus, prima zum Würzen, Abschmecken und Färben. Die Kerne bleiben auch nicht ungenutzt, aus denen entsteht noch Kaffee-Ersatz (rösten) oder eine Füllung für ein Schmeichelkissen.

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