Das Farbwunder der Rosskastanie

Das bewegt Kräuterpädagogin Simone Braun mit ihrer unbezähmbaren Entdeckerfreude. Sie staunt über die sog. Ampelblüte, sie ist fasziniert von der Symbiose zwischen Blüten und Insekten, sie forscht nach der Chemie, die dahinter steckt – und steht plötzlich vor tausend anderen Sachen, die auch noch spannend wären… Hier ihr Bericht:

Im Moment kann man noch die üppige Blütenpracht der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) bewundern. Ein äußerst attraktiver Baum, der mit seinem handförmig gefingerten Laub und seiner ausladenden, schattenspendenden Krone Tausende von Kerzen leuchten lässt! In einem kurzen Artikel stoße ich zufällig auf den Farbwechsel der Kastanienblüten von Gelb nach Rot. Ist das wirklich so?

Tatsächlich, jede Blüte besitzt einen Fleck, der gelb, gelb-orange oder rot gefärbt ist! Was hat das zu bedeuten? Was steckt dahinter?

Die Codierung ist einfach: Zunächst ist das duftende Farbareal auf den weißen Blütenblättern leuchtend gelb. In dieser Phase ist die Blüte befruchtungsfähig und es wird äußerst zuckerreicher (bis zu 75 % Zucker!) Nektar produziert, zu dem die bestäubenden Bienen und Hummeln durch die Duft- und gelben Farbmale ins Blüteninnere geleitet werden.

Am Tag nach erfolgreicher Bestäubung oder auch nach einer gewissen Zeit, wenn die Blüten nicht mehr befruchtungsfähig sind, färbt sich der Fleck rot. Gleichzeitig wird die Nektarproduktion eingestellt und der Duft verändert. Damit erhalten die Bestäuber ein doppeltes Signal, bei welchen Blüten sie sich einen Besuch sparen können.

Damit wäre die Frage, nach dem „Warum“ bereits beantwortet. Die Frage nach dem „Wie“ noch nicht.

Puh, schwierig. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann werden die gelben Carotinoide durch rote Anthocyane (das sind sekundäre Pflanzenstoffe) in den Zellen der Epidermis ersetzt.

Wird dieser Prozess durch das Einstellen der Nektarproduktion ausgelöst oder was veranlasst die Rosskastanie dazu? Wäre es für die Rosskastanie nicht sehr viel vorteilhafter und energiesparender, ihre Blüten einfach abfallen zu lassen als diesen Farbwechsel zu vollziehen? Vermutlich bieten die beeindruckenden Blütenstände auf weite Distanzen einen Pluspunkt bei der Bestäuberanlockung.

Je mehr ich mich über die Rosskastanie in Erfahrung bringe, desto mehr Wunder und faszinierende Themenfelder (und botanische Fachbegriffe) tauchen auf.

Hummeln und Bienen lernen wohl sehr schnell, dass die „auf rot geschalteten“ Blüten keinen zuckersüßen Nektar enthalten und damit sehr viel weniger attraktiv sind.

In diesem Zusammenhang stoße ich darauf, dass Bienen eine ganz andere Farbwahrnehmung als wir Menschen haben: Sie sind rotblind, können dafür aber UV-Licht wahrnehmen. Wie sieht denn dann so eine Blüte für eine Biene aus? Eine ganz neue Fragestellung, über die ich mir bislang zugegebenermaßen noch überhaupt keine Gedanken gemacht habe.

Ganz grob merke ich mir: Carotinoide (wenn der Fleck gelb ist) absorbieren Licht in einem Wellenlängenbereich von 400 bis 500 nm (im blauen Bereich des sichtbaren Lichts), reflektieren also insbesondere UV-Licht. Für die Biene erscheint der Fleck somit hell.
Anthocyane (wenn es in der Blüte nichts mehr zu holen gibt) absorbieren das kurzwellige UV-Licht der Sonne. Supergut! Damit erscheint der „rote“ Fleck für die Biene schwarz!

Wer hätte geahnt, dass dieser Farbwechsel im komplizierten Geschlechtsleben der Rosskastanien ziemlich wichtig ist? Beim Durchforsten einiger Artikel stoße ich darauf, dass die Blüten mindestens eine weitere Besonderheit besitzen: Die Rosskastanie ist polygam bzw. andromonözisch.

Was ist das denn nun schon wieder? Auf alle Fälle eine andere, spannende Geschichte, die es zu entdecken und erforschen gilt.

Danke, Simone – Du hast uns die Augen geöffnet! Je mehr wir die Natur erkunden und verstehen, desto wertvoller und wichtiger wird sie für uns.

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