Den Natternkopf (Echium vulgare), auch Stolzer Heinrich, Langer Hans, Blauer Michel genannt, kann man beim besten Willen nicht übersehen – auch für Bienen und Kollegen ist er mit seinen Blütenkerzen ein absoluter Magnet. Mehr als 30 Wildbienen- und 40 Schmetterlingsarten hat man ihm schon beobachtet. Das stattliche Raublatt- oder Borretschgewächs gilt als Paradies für die fliegenden Bestäuber. Die zahlreichen Blüten bieten zuckerreichen Nektar in Hülle und Fülle.
Tischleindeckdich in Blau
Was uns wegen der Corona-Beschränkungen und Hygiene-Regelungen derzeit verwehrt bleibt, stellt für Bienen ein überbordendes Selbstbedienungsbuffet dar. Vor allem, weil Obst-, Raps- und Löwenzahnblüte beendet sind und keine Nahrung mehr bieten. Da kommt der Natternkopf sehr gelegen – nicht nur den Wildbienen, auch den Honigbienen. Imker können dank einer ergiebigen Nebentracht mit gutem Honigertrag rechnen. Wenn da nur nicht eine unangenehme Nebensache wäre…
Leider nicht „frei von“
Wie unter Raublattgewächsen (Borretsch, Ochsenzunge, Beinwell u.a.) üblich, enthält auch der Natternkopf Pyrrolizidinalkaloide (PA). Diese sekundären Pflanzenstoffe gibt es in hunderten verschiedenen Strukturen und dienen den Pflanzen als Fraßschutz. Beim Menschen können PAs bei häufiger Aufnahme Leberschäden durch eine schleichende Vergiftung verursachen, stehen aber auch in dringendem Verdacht, krebserregend und erbgutverändernd zu wirken. Nicht jedes PA ist dabei gleich gefährlich, im Natternkopf finden sich jedoch giftig wirkende 1,2-ungesättigte PAs – das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, generell die Aufnahme von PAs so niedrig wie irgendwie möglich zu halten und weist auf dringend erforderliche Erforschung von PAs hin. Neben Raublattgewächsen enthalten auch Korbblütler PAs, darunter vor allem Greis- oder Kreuzkräuter (Senecio), Wasserdost (Eupatorium). Im Natternkopf sind PAs auch im Pollen zu finden – und gelangen damit in Bienenhonig, insbesondere wenn Natternkopf flächendeckend in riesigen Mengen angesät wird.
Schöner Anblick mit unschönen Folgen
So wertvoll der Natternkopf sein kann, wenn es um die Schließung der Futterlücke für Bienen und Co. zwischen Obst- und Lindenblüte geht, so negativ kann sich eine flächendeckende Ansiedlung auf die PA-Werte im Honig auswirken. Das BfR sagt aufgrund neuer Forschungsergebnisse in einer aktualisierten Bewertung dazu, dass „weiterhin eine hohe Priorität darin bestehen sollte, Maßnahmen zu ergreifen, um die PA-Gehalte in Lebensmitteln zu verringern.“ Läuft dieser Einschätzung nicht entgegen, dass allerorten jetzt Natternkopf ausgesät wird? Sei es Blühstreifen, Blumenwiese, Bienenbeete, Brachflächen…
Die Mischung macht’s
Wie bei einem Frühstücks- oder Abendbuffet mag keiner, dass es dort nur eine einzige Speise auf tausenden Tellern gibt, sondern jeder bevorzugt eine breite Auswahl. Für Insekten ist es sicher auch nicht ungünstig, denn wo es vielerlei Blüten gibt, kann sich Gefährliches gar nicht aufsummieren. Bienen, zumal Wildbienen und Hummeln müssen nicht immer nur eine Trachtpflanze in Massen vor sich haben, um effektiv zu arbeiten. Sie können sich erstaunlich gut auf Vielfalt einstellen. Artenvielfalt statt Monokultur. Das kommt schlussendlich auch uns zugute, denn auf unserem Buffet gibt es dann auch keinen PA-belasteten Honig. Säen wir doch zum Natternkopf einfach viele andere Arten dazu, etwa Malven, Lichtnelken, Steinklee, Königskerzen, Glockenblumen, Flockenblumen, Storchschnabel…