Apfel-Weihnachtsgeschichte

Der wundersame Apfel
In einem entlegenen, schönen Tal stand einst ein Apfelbaum. Der trug wundersame Äpfel, so herrlich gefärbt, so köstlich duftend, wie es sie heute gar nicht mehr gibt. Der Apfelbaum gehörte einer Frau, ob es wohl Frau Holle gewesen ist?

Eines Tages kam ein alter Mann vorbei. Er ging gebeugt und jammerte, dass sein Leben so grau und trist geworden sei. Keine Farbe würde seine Tage mehr beleben. Da pflückte die Frau vom Baum einen Apfel und gab ihn dem alten Mann. Einen wundersamen Apfel. Wie dessen rote Backen leuchteten! Der alte Mann staunte über all die Farbenpracht und vergaß, dass sein Leben so farblos gewesen war. Seine Augen begannen zu strahlen, glücklich trug er den Apfel mit sich.
Bald begegnete der alte Mann einer Frau. Die saß am Wegrand auf einer Bank und schluchzte bitterlich. Was ihr denn fehle, fragte der alte Mann. Ach, ihr Liebster hätte sie verlassen, sagte die Frau. Aller Duft sei aus ihrem Leben gewichen. Da dachte sich der alte Mann, dass sein Leid im Vergleich zum echten Liebesschmerz der Frau doch ganz gering wäre. Er hatte in seinem Leben schon so viel erlebt, dem Himmel sei Dank dafür. Und schenkte den wundersamen Apfel der Frau. Die nahm den Apfel in ihre Hände, schloss die verweinten Augen und schnupperte. Was für ein Duft, wie beschwingt, wie lieblich. Sogleich wurde ihr wohler ums Herz, voller Zuversicht dachte sich die Frau, dass schon bald der Duft einer neuen Liebe sie wieder beflügeln werde. Und ging ihres Weges.

An der Kreuzung traf die Frau ein kleines Kind. Das war hingefallen, sein Knie hatte es sich aufgeschlagen, sein Butterbrot war in den Schmutz gefallen. Es saß auf einem Stein und weinte viele heiße Tränen. Die Frau nahm das Kind tröstend in die Arme. Streichelte ihm über den Kopf und pustete aufs Knie. Wie klein kam ihr der eigene Schmerz nun vor, wie groß dagegen der wahre Schmerz des Kindes. Und sie schenkte dem Kind den wundersamen Apfel. Das biss herzhaft in den Apfel, dass der süße Saft aus den Mundwinkeln tropfte. Dachte eifrig kauend nicht mehr ans verlorene Butterbrot, spürte das wehe Knie nicht weiter – hüpfte frohgemut davon.
Und kam mit dem wundersamen Apfel am Haus des alten Griesgrams vorbei. Der wohnte einsam und verlassen in einer Kate, sprach mit keinem, hatte für nichts ein offenes Auge oder Ohr. Das Kind klopfte an die Tür und hielt dem Griesgram den wundersamen Apfel hin. Schenke ich dir, lachte das Kind dem Griesgram unbekümmert ins Gesicht. Und sprang den Weg entlang fort. Der Griesgram wusste gar nicht, wie ihm geschah. Noch niemals hatte ihn jemand freundlich entgegen gelächelt, noch niemals hatte ihm jemand etwas geschenkt. Wenn es auch nur ein angebissener Apfel war.

Aber wie der leuchtete! Und wie der duftete! Vorsichtig knabberte der Griesgram an dem Apfel. Wie der schmeckte! Wundersam. Da wurde es dem Griesgram ganz warm ums Herz. Und er aß den Apfel bedächtig auf, sammelte die Kerne aus dem Inneren und pflanzte sie vor sein Haus in die Erde. Bald waren daraus Bäume gewachsen, an denen Jahr für Jahr herrliche Früchte hingen. Ein jeder, der am Haus vorbei kam, musste sie bewundern – und bekam einen davon geschenkt. Einen wundersamen Apfel.

Ach, und ihr meint, solch einen Apfel hättet ihr auch gerne? Farbenfroh, duftend, geschmackreich, eben wundersam? Dann müsst ihr in das entlegene, schöne Tal gehen, zum alten Griesgram. Der schenkt euch einen. Wo das schöne Tal liegt, wollt ihr wissen? Macht mal die Augen zu… Ja, genau, dort liegt es. Wahre Pflanzenlust, nicht wahr? Apfelfreudige Weihnachten!

3 Gedanken zu „Apfel-Weihnachtsgeschichte“

  1. Eine wunderschöne Geschichte!

    Ich wünsche dir und deiner Familie schöne Weihnachten, lieber Karin!

    Herzliche Grüße – von Renate

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