Wie der Majoran vegan wurde, Teil 3

Heimlich, still und leise wanderte er in einer mondlosen Sommernacht einfach aus dem Garten aus. Verzog an eine trockene, karge Böschung, draußen hinter den Feldern, vor einer dichten Wildhecke am Waldrand. Keines der Kräuter, keine der Blumen, keiner der Sträucher, keiner der Bäume dort hatte je irgendwas von Leberwürsten gehört – nicht einmal die Verwandtschaft. Lippenblütler gab’s an der Hecke auch, Quendel, Ziest, Gamander, Braunelle und Taubnessel, mit denen war der Majoran gleich per Du. Alle hießen sie den wohlriechend beredten Majoran in ihren veganen Kreisen herzlich willkommen. Der Majoran ließ er sich nieder und wucherte bald zu einem stattlichen Buschen heran. Er änderte auch seinen Duft, nahm einen neuen Dialekt an – damit er sich nur ja nicht als Wurstkraut verriete. Ungestört von übel riechender Häme oder schnittiger Gärtnerschere begab er sich ans Blühen.

Und vor lauter Freude, weil er allen Leberwürsten dieser Welt entkommen war, trieb er besonders hübsche Blüten. Rosa leuchteten die jetzt, in kleinen Sträußchen standen sie beisammen. Und riefen mit ihrem herb-würzigen Parfüm Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und andere Insekten im weiten Umkreis herbei. Wie das kitzelte, wenn sich eine Biene in ein seiner Blüten zwängte! Immer neue Blüten trieb der Majoran, auch seine Blätter wurden größer. So wollte er auch seinen Namen nicht mehr tragen. Nix mehr Majoran, der Un-Vegetarische. Er nannte sich ab sofort „Dost“, das bedeutet so viel wie Blumenbüschel – völlig vegan. Und aus Origanum majorana wurde ein gewöhnliches Origanum vulgare – denn so ganz wollte er seine Abstammung dann doch nicht verleugnen.

Und niemals wieder kam der Dost, mit Pseudonym Wilder Majoran, in eine Leberwurst. Leberwürste sind dann wohl bald ausgestorben. Von der Pizza verdrängt. Und auf die ließ sich der Dost als Pizzakraut gerne mal aufstreuen, am liebsten auf eine vegane…

Natürlich ist die Geschichte frei erfunden, Ähnlichkeiten mit Majoran und Oregano sind aber gewollt, und gar nicht rein zufällig. In Wahrheit ist der Wilde Majoran jedoch nicht aus dem Gartenmajoran entstanden, sondern es sind zwei eigenständige Arten. Majoran stammt wohl aus dem Orient und ist erst im Mittelalter nach Mitteleuropa gekommen. Er gilt nach der Petersilie als das am häufigsten angebaute Gewürzkraut. Oregano ist schon lange in weiten Teilen  Deutschlands verbreitet, wird als heimische Art gerechnet.  Gerade steht er in schönster Blüte, der Oregano oder Dost, das Pizzakraut oder auch Wohlgemut genannt, weil er so wohl ums Gemüt macht. Und macht einfach Lust, wahre Pflanzenlust. Und tut ihn ja nicht in die Leberwurst.

3 Gedanken zu „Wie der Majoran vegan wurde, Teil 3“

  1. Oh, wie schön hast Du das geschrieben, liebe Karin.
    Du gibst unseren wundervollen Pflanzen eine Seele – herrlich!
    Erst kürzlich habe ich auch über wilde Heilkräuter geschrieben.
    Schau doch einfach einmal hier rein:
    http://heidis-gruene-ecke.blogspot.de/2017/08/meine-lieben-ich-moment-habe-ich-soooo.html

    Ich glaube, wir haben den gleichen Anspruch, den gleichen Wunsch – nämlich, dass sich immer mehr Menschen
    ihre Umwelt, die Wildpflanzen (das „Unkraut“ wie es leider so oft genannt wird!) genauer ansehen, und dann verstehen lernen…
    …und dann bereit sind, all dies zu schützen…

    Ich drücke ganz fest die Daumen, dass dies gelingen möge!

    Alles Liebe
    Heidi

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  2. O Schreck – der erste Teil der Geschichte ist weg. Bei mir findet sich nur Teil 2 und 3. Auch die Suchfunktion zeigt nur Teil 2 und 3.
    Was machen wir jetzt?
    Ratlose Grüße von Wanda

    Antworten

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