Unter Rosen, Teil 1

Mitten in der Wiese, neben einem Bächlein, wo die Erde nie richtig trocken wurde, wuchs zwischen den Gräsern ein kleines Kräutlein. Es war ein gar bescheidenes Gewächs, kleidete sich ganz in enthaltsames Grün. Prunkte nicht mit aufreizend roten oder auffordernd blauen Blütenkronen, trug weder abschreckende Stacheln noch verlockende Früchte. Mit einem derben, von braunen Fasern umhüllten Wurzelstock kroch es mehr über den Boden, als dass es tief in die Erde eindrang. In kurzen Abständen ließ unser Kräutlein akkurat in Falten gelegte Blätter daraus sprießen, anfangs wohl geschützt von einer Tute aus zwei kleinen Blättern am Blattstielgrund. Diese wie plissiert wirkenden, von hauchzartem Flaum überzogenen Blätter entfaltete es schließlich wie einen Fächer zu einem flachen Schüsselchen, das in Abständen eingeschnitten war und dessen Rand zierliche Zähnchen zeigte. Kein Künstler hätte es je geschafft, ein solch kunstvolles Gebilde zu gestalten.

Schon als die mächtigen Bäume und Büsche am Rand der Wiese im Frühling ihr Laub aus den Knospen trieben, hatte sich unser Kräutlein angeschickt, Blüten zu schieben. Winzige Gebilde, viel kleiner als der kleine Fingernagel. Das Gewächs begnügte sich, seine Blütchen aus je vier zugespitzten Blättchen zu formen, in deren Lücken wiederum vier klitzekleine Staubblättchen sich um eine Reihe Mini-Fruchtblätter reihten. Es duftete nicht und hielt auch keinen Nektar feil. Gar nicht wenige Blütchen verzichteten sogar auf Staubblätter. Damit die schüchternen Blütchen überhaupt irgendwie ins Auge fielen, standen sie in Grüppchen beieinander.

Übermorgen geht es weiter mit der Geschichte!

1 Gedanke zu „Unter Rosen, Teil 1“

Schreiben Sie einen Kommentar

Item added to cart.
0 items - 0,00