Märchen von der Schlüsselblume

Ein Hütebub in den Bergen erblickte beim Auftrieb der Schafe ein golden leuchtendes Blümchen auf der noch weitgehend graubraunen Almwiese. Er fand es unvergleichlich schön, wie ein kostbarer Schlüssel aus Edelmetall geformt. Er pflückte es und steckte es an seinen Hut. Doch bald wurde ihm die Kopfbedeckung schwer und schwerer, als wäre das Blümchen wie aus Blei.

Da erschien ihm eine schneeweiß gekleidete junge Frau. Sie führte ihn zu einer schroffen Felswand, nahm das goldgelbe Blümchen und strich über das Gestein. Der Berg öffnete sich, eine nachtschwarze Höhle tat sich auf. Die weiße Frau ermunterte den Hütebuben, trotz der Dunkelheit in den Berg zu gehen, denn dort warteten ungeahnte Schätze auf ihn. Er dürfe nehmen, was er tragen könne, aber – so ermahnte ihn die Gestalt – er müsse in einer Stunde wieder zurück und solle dabei das Beste nicht vergessen.

Vielleicht war es auch ein Aurikel (Primula auricula), das dem Hütebuben ins Auge gefallen ist?

Obwohl es ihm nicht ganz geheuer vorkam, betrat der Hütebub mit dem Blümchen in der Hand die dunkle Felsgrotte. Das Blümchen ließ mit seinen Goldenen Blüten alles hell erstrahlen, als schiene die Sonne in die Finsternis des Berges.
Tatsächlich stieß der Hütebub bald auf unglaubliche Schätze. Er packte Silber, Gold, Edelsteine in seine Taschen, konnte sich gar nicht sattsehen an all dem Reichtum. Schon war die Stunde fast um, als die Stimme der weißen Frau ertönte: „Spute dich, aber vergiss das Beste nicht!“ Doch der Hütebub deutete den Rat verkehrt, suchte noch die am meisten funkelnden Juwelen und sprang im letzten Moment aus der Höhle, bevor sich die Felswand hinter ihm schloss.
Kaum stand er draußen, fiel ihm das Blümchen mit den goldenen Blüten ein. Mit seiner Hilfe könnte er doch jederzeit zurückkehren? Aber das hatte er vor lauter Gier im Berg vergessen…

Das wundersame Blümchen mit den goldenen Blüten war natürlich die Schlüsselblume. Ob sie wirklich Felswände öffnet, zu sagenhaften Reichtümern führt? Braucht niemand zu probieren – besser lassen wir die Blumen stehen (stehen ja ohnehin unter Naturschutz). Dann schließen die Schlüsselblumen die Türen zu einem Schatz auf, der unermesslich ist: zum Frühling!

Zweierlei Arten von Schlüsselblumen

Bei uns kommen vor allem zwei verschiedene Arten der Schlüsselblumen vor:

Die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior), auch Wald-Schlüsselblume, Hohe Primel, Holzglocken, Bachschlüsseli, Osterbüschel oder Schlüsselblumen-Männchen genannt. Sie wächst hauptsächlich in krautreichen Eichen-Hainbuchen-Wäldern, Au- und Schluchtwäldern, auf Bergwiesen mit feuchten, nährstoff- und basenreichen, lockeren Böden, auch an schattigen Stellen.

Die Echte Schlüsselblume (Primula veris), auch Wiesen-Primel, Wiesen-Schlüsselblume, Arznei-Schlüsselblume, Petersglocken, Pluderhose, Eierblume, Lungenblümel, Tabaksblume, Hahn und Hennen, Batonie, Batenke oder Schlüsselblumen-Weiblein genannt. Man trifft sie vor allem auf trockenen Wiesen, Halbtrockenrasen, Gebüschen, lichten Laubwäldern sowie Rändern von Eichen-, Hainbuchenwäldern an. Sie gilt als Kalk-, Magerkeits- und Humuszeiger und war 2016 Blume des Jahres.

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