Das Jahr ist erst wenige Tage alt, eigentlich hätten wir jetzt Winter. Doch die Zeichen stehen schon auf Frühling. Noch nie, so meine Erinnerung, habe ich zu Dreikönig der Regel folgen können: Wenn man auf drei Gänseblümchen gleichzeitig treten kann, ist Frühling. Ich finde in meinem Gedächtnis auch keine Hinweise, dass zu Jahresbeginn schon Krokusse anfangen zu blühen. Oder Zierquitten die Blüten öffnen, Hyazinthen und Tulpen treiben, Goldlack Blüten ansetzt, die Knospen der Kornelkirsche richtig prall sind, die Vogelmiere blüht…
Indem Hasel- und Erlenkätzchen ihren Blütenstaub verpulvern, beginnt laut phänologischem Kalender der Vorfrühling, die Frühphase des Frühlings. Auch das ist bereits zu beobachten. Manifestiert wird das durch die Blüte der Schneeglöckchen, der Märzenbecher und des Winterjasmins (auch der blüht schon!), dem Erscheinen der silbrigen Weidenkätzchen. Pappelkätzchen drängen mit ihren grauen Pelzen bereits aus den Knospen. Und die Meisen? Sind fröhlich am Zwitschern, tirilieren ihre Frühlingsgefühle.
Mich würde nicht wundern, wenn auch der Bärlauch schon grüne Spitzen zeigt. Oder das Scharbockskraut aus der Erde drängt. Wie wird das wohl weitergehen?
Vorfrühling
Wir standen heute still am Zaun von einem fremden Garten,
Sah’n hin und sah’n das Wintergras am Teich auf Sonne warten.
Im Wasser lag verjährtes Laub gleichwie auf Glas,
Am Ufer saß ein Büschel Veilchen jung erblüht im gelben Gras,
Und frisches Lilienkraut wuchs grün bei Tuffsteinblöcken,
Am Himmel oben gingen Wolken jugendlich in weißen Röcken.
Wie wenig Welt tut schon den Augen gut!
Nur ein paar Atemzüge lang hat’s Herz dort ausgeruht,
Nur ein paar Augenblicke tat es säumen…
Wir sind doch alle in den weiten Lebensräumen
Zaungäste nur bei Wünschen und bei Träumen.
Max Dauthendey