Die Alpenrose

Alpenrose1.
In ihrem Kelch ist solche Gluth,
Als ob sie ganz durchschiene
Vom Hort, der in den Bergen ruht,
Die Seele der Rubine.

Der Abgrund ringt in stillem Weh
Nach ihr empor die Hände,
Und liebeflüsternd pocht der See
An ihre Felsenwände.

Sie aber, von der ganzen Macht
Der Einsamkeit umgeben,
Sieht um sich her die Sternennacht
Auf Purpurwolken schweben.
2.
Wie oft schon bin ich stehn geblieben,
Vertieft in Schaun vor dir. Allein
Um dich muss man die Berge lieben,
Du bist die Seele, Gluth im Stein.

Wer aufwärts dringt in kühnem Streben
Der denkt an dich, wie hoch du blühst,
Und wer sich einsam fühlt im Leben,
Der denkt, wie still auch du verglühst.

Wer dich liebt, liebt’s den Tag zu grüßen
In Nacht auf hoher Bergesflur,
Er hat die Welt zu seinen Füßen
Und über sich den Himmel nur.
Hermann von Lingg 1820 – 1905

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