Das Kräutlein Weisheit

Es geht die Sage, dass die Menschen in einem gewissen Dorf einst alles hatten, nur eines nicht: Weisheit. Weil die Dorfbewohner aber erfahren hatten, dass es außer ihnen in keinem Ort niemanden an Weisheit mangelte, beschlossen sie, sich um diese Gabe zu bemühen. Sie schickten ihre höchsten Vertreter in die Welt, damit sie das Kräutlein Weisheit kaufen sollten. Denn nach ihrer Überzeugung konnte es nur ein Kraut sein, nach dessen Verzehr man eben dem Geist Erleuchtung verschaffen könnte.

Die Dorfoberen zogen lange durch die Lande, doch niemand konnte ihnen ein solches Kraut anbieten. Bis sie endlich in eine große Stadt gelangten. Dort auf dem Markt fanden sie einen Stand, wo ihnen der Händler auf Nachfrage das Kräutlein Weisheit verkaufte – für ungeheuer viel Geld.

So schnell sie konnten, kehrten die Vorstände in ihr kleines Dorf zurück, um das begehrte Kräutlein endlich allen Bewohnern zum Verzehr anzubieten. Das Dorf empfing die Rückkehrer mit allen Ehren, eine große Festtafel wurde gedeckt. Man tischte alles auf, was Küchen und Keller hergaben, um sich zu stärken. Das Kräutlein Weisheit wurde in einem kostbaren Gefäß mitten auf die Tafel gestellt, damit es alle gut sehen und bewundern konnten.

Und als nun alle feierten, aßen und tranken und sich über das große Glück freuten, dass ihnen jetzt mit dem Kräutlein Weisheit zuteil werden würde – da kam ein Esel daher und fraß das Kräutlein Weisheit auf.

Nach einer alten Sage aus der Schweiz erzählt.

Wo Dummheit ins Kraut schießt, wird Weisheit zum Unkraut.
Peter Sirius

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