Bestäubt und fortgepflanzt

Pflanzen brauchen Liebe, damit sie gut wachsen. Das ist eine Binsenweisheit. Pflanzen können der Liebe auf die Sprünge helfen, rote Rosen sind das beste Beispiel dafür. Aber wie ist das eigentlich mit den Pflanzen selber? Nachdem Pflanzen nun einmal festgewachsen sind, können sie zueinander nicht kommen. Trotzdem trachten sie wie alle Lebewesen danach, ihr genetisches Material auszutauschen und Nachkommen zu zeugen. Insekten oder der Wind helfen ihnen bei der Liebe. Bei extremen Frühblühern kann das ganz schön schwierig werden.

Unwiderstehliche Verlockung

Wer zeitig im Jahr blüht, hat wegen mangelnder Konkurrenz Riesenchancen, geht aber auch ein großes Risiko ein. Es muss ein warmer, sonniger Tag kommen, der Hummeln und Bienen hervorlockt. Und die müssen zielsicher zum Futtertrog gelockt werden, sprich an die Nektarquelle. Bislang war das in diesem milden Winter kein Problem, aber jetzt, wo es kalt geworden ist – oder demnächst noch ein ernsthafter Winterrückfall droht?

Deshalb erstreckt sich die Blütezeit von Schneeglöckchen, Schneeheide, Zaubernuss, Winterjasmin und Winterschneeball auf viele Wochen – gut zu verfolgen, denn alle blühen ja schon seit Längerem und sicher auch noch länger. Die Blüten öffnen sich vor dem Blattaustrieb, erdulden Kälte und Schnee, versuchen ihr Glück. Kräftige Färbung (Schneeglöckchen reflektieren sehr stark UV-Licht, wirken daher selbst bei Schnee für Bienen und Falter wie Scheinwerfer) und intensiver Duft (schwer blumig-süß zieht er beim Winterschneeball unwiderstehlich von weit her an) machen die Blüten zu Attraktionen.

Schließlich lohnt sich ein Besuch der Blüten, das wissen die Insekten. Hier gibt es süßen Nektar in verschwenderischer Fülle, Futter und Brennstoff in dieser noch kargen Zeit. Ausgehungert stürzen sich die Insekten in die Blüten, schlürfen gierig das Labsal – und werden von der Pflanze dabei mit Blütenstaub beladen. Bei der nächsten Blüte geben die Insekten diese Liebesbotschaft wieder ab, der Blütenstaub wird an der meist klebrigen Narbe abgestreift. Der Liebesakt ist vollzogen, die Blüte bestäubt, jetzt können Samen und Früchte reifen.

Und wenn’s nicht klappt?

In manchen Jahren läuft es für Schneeglöckchen und Co. nicht optimal. Das Wetter spielt nicht mit, Insekten bleiben aus. Damit die Liebesmüh nicht vergebens war, greifen die Blüten zu einer Notfallmaßnahme: Selbstbestäubung. Die Pflanzen bepudern ihre Narben im allerletzten Moment, bevor die Blüten vergehen, mit dem Blütenstaub der eigenen Staubbeutel. Damit sichern sie Fruchtansatz und Fortbestand – wenn auch diese Nachkommen eigentlich Klone sind, also exakt den Mutterpflanzen ähneln.
Es ist aber keineswegs im Sinne der Natur, immer gleiche Nachkommen zu haben. Inzucht führt nur allzu leicht zu Degeneration und Krankheiten. Vielfalt ist die Devise, weshalb die Pflanzen danach trachten, ihr Erbgut zu durchmischen.

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