Adventskalender 15: Lebensbaum

Auf dem Weg durch den Wald fällt mir mitten unter Fichten ein immergrünes Gehölz auf, das irgendwie andersartig wirkt. Wie aus einer fremden Welt, und doch kommt es mir auf Anhieb sehr bekannt vor. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es ein Lebensbaum ist. So nennt man Exemplare der Gattung Thuja – aber der Begriff „Lebensbaum“ wird noch für weitere Pflanzenarten verwendet und auch ganz anders eingesetzt. Der Reihe nach…

Wie kommt ein Abendländischer Lebensbaum (Thuja occidentalis) in den heimischen Wald? Das Zypressengewächs stammt aus Nordamerika und wird bei uns überaus häufig als Heckenpflanze genutzt. Auch in Friedhöfen sieht man ihn, weil er mit seinem kegelförmigen Wuchs eine markante Figur abgibt und als immergrüner Baum symbolhaft für die Ewigkeit, das wiederkehrende Leben, die Hoffnung steht. Seit dem 16. Jahrhundert ist er in Europa als Garten- und Parkzierbaum bekannt, es gibt zahlreiche Sorten. Wahrscheinlich ist ein Besitzer dieses Lebensbaums überdrüssig geworden, hat ihn dann nicht zum Recyclinghof gefahren, sondern (illegal!) im Wald entsorgt. Und dort scheint es dem Lebensbaum zu gefallen, er lebt halt hier weiter. Seine mattgrünen Blätter sind schuppenartig, nicht nadelig, die Zweige erinnern ein wenig an Farnwedel. Duft? Ja, wenn man die Zweige ein wenig drückt und quetscht, aber der Geruch ist keineswegs balsamisch. Nicht zu vergessen, das Thujen Giftstoffe enthalten, die Haut und Schleimhaut reizen können. Doch wer das weiß, geht eben vorsichtig mit ihnen um und kann sie für Adventskränze, Gestecke oder auch zum Abdecken von empfindlichen Pflanzen verwenden.

Angenehmer Duft gewünscht? Dann muss man zu anderen Arten aus der Gattung greifen. Etwa zum Riesen-Lebensbaum (Thuja plicata), ebenfalls aus Nordamerika, dessen Schuppenblätter nach Ananas riechen. Und der Morgenländische Lebensbaum (Thuja orientalis, Platycladus orientalis) aus Asien verströmt gar ein Aroma nach weihnachtlich gewürztem Bratapfel. Beim Hiba-Lebensbaum (Thujopsis dolabrata) aus Japan kommt wieder die waldige Note zum Tragen.

Berthold Furtmeyr, „Baum des Todes und des Lebens“, Salzburger Missale (15. Jh.)

Laut Altem Testament ließ Gott inmitten des Paradieses den Baum des Lebens wachsen, dessen Früchte der Erkenntnis verboten waren zu essen. Dennoch haben Adam und Eva davon probiert – und wurden aus dem Garten Eden verwiesen. In gewisser Weise erinnert auch der Weihnachtsbaum an diese Geschichte. Man stellte sich den Lebensbaum als Apfelbaum vor, Äpfel schmücken bis heute den Christbaum (oft in Form von roten Kugeln), Heiligabend ist der Gedenktag an Adam und Eva.

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