Zum Kugeln

Jedes Jahr freue ich mich, wenn ich Trollblumen entdecke. Trollius europaeus aus der Familie der Hahnenfußgewächse. Ihren Namen hat sie wohl von trollen = rollen, kugeln, wälzen (oder von Troll = grober, ungeschlachter Kerl). Denn die zehn bis fünfzehn Blütenblätter bilden eine geschlossene Kugel, was zu Volksnamen wie Goldkopf, Kugelranunkel, Roller, Gelber Schneeballen, Butterkugel, Pfingstrose, Natternknopf oder Krapferl geführt hat. Geschlossen? Merkwürdig, wie soll denn da eine Bestäubung stattfinden? Oder belässt es die Trollblume bei einer höchst intimen Angelegenheit?

Das Geheimnis der Trollblume lüftet sich, wenn man ihr in die Blütenkugeln schaut. Nicht abpflücken, bitte (steht unter Naturschutz) – nur vorsichtig öffnen und staunen: Kaum lupft man die äußeren gelben Blätter, entfleucht eine kleine Fliege, manchmal auch gleich mehrere. Was treiben die denn in der gelben Kuppel? Sie sind, angelockt durch Farbe und Duft, durch eine winzige Öffnung in die Blüte hineingeschlüpft. Und nutzen die Trollblumen als Wellness-Oase. Es ist drinnen schön warm und kuschelig, man bleibt vor Regen geschützt, es gibt ein üppiges Buffet und zugleich noch Gelegenheit für die Eiablage.

Vollpension gewährt die Trollblume den Insekten in Form von Pollen, den die Staubblätter parat halten. Davon bleibt immer auch etwas am Körper der Fliegen hängen. Wenn sie das Blütenhotel wechseln, übertragen sie die staubige Post und sichern, dass es Früchte mit Samen gibt. Doch nicht nur eiweißreicher Blütenstaub wird angeboten, es gibt auch eine Bar mit süßem Saft: Nektarblätter. Das sind lange Röhrchen, an deren Grund eine Drüse sitzt und zuckerreichen Nektar absondert. Man entdeckt sie zwischen den vielen Staubblättern.

Die Fliegen fühlen sich in den Trollblumen so wohl, dass sie an den Fruchtblättern im Zentrum ihre Eier ablegen – auch der Insektennachwuchs möchte es ja mal gut haben. Die Larven der Fliegen futtern sich durch die Blüte, dabei geht mindestens ein Teil der Früchte verloren. Aber das ist der Tribut, den die Trollblume bezahlen muss. Dafür hat sie nicht nur einige wenige, sondern eben gleich ganz viele Fruchtblätter, damit wenigstens ein paar davon reif werden und Samen ausstreuen können. Zudem bilden die Trollblumen immer mehr Giftstoffe, um den Fliegenlarven den Appetit zu verderben.

Und was soll man sagen? Dieses Spiel, so riskant es erscheint, klappt – sowohl Trollblumen wie auch die Fliegen haben sich gut arrangiert. Denn wäre es anders, würde es bald keine Trollblumen mehr geben, auch die Fliegen hätten das Nachsehen. Dass Trollblumen insgesamt selten geworden sind und unter Schutz gestellt wurden, liegt viel mehr an Veränderungen ihrer Lebensräume. Trollblumen mögen es feucht und nahrhaft, aber genau solche Wiesen verschwinden zusehends. Da ist es umso erfreulicher zu wissen, dass man sich durchaus um den Erhalt solcher Flächen bemüht. Die Trollblume gehört zu „Bayerns Ureinwohnern„, heimischen Tieren und Pflanzen, denen die Landschaftspflegeverbände ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben – und hoffentlich auch weiterhin tun.

In Europa ist als einzige Art Trollius europaeus heimisch. In Asien gibt es rund 30 Trollblumen-Arten, von denen einige sowie Hybridformen hierzulande in Gärten als Zierpflanzen kultiviert werden. Deren Blüten sind meistens schalenförmig, darin lassen sich die oft kräftig orange gefärbten Nektarblätter gut erkennen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Item added to cart.
0 items - 0,00