Rainfarn: giftig oder nicht?

Bis die goldgelben Knopfblumen vom Rainfarn (Tanacetum vulgare) erscheinen, dauert es noch, aber oft schieben die Blättchen um diese Zeit schon aus dem Boden. Die filigranen Gebilde werden gerne verwendet, um Ostereiern mittels Ausspartechnik ein zierliches Muster zu geben. Färben kann man mit Rainfarn auch, mit den Blüten, mit Blättern oder auch gemischt – das ergibt gelbe bis olivgrüne Töne.

Die jungen, noch angenehm aromatisch riechenden Blätter wurden früher auch für Frühlingsgerichte verwendet. Unter der Bezeichnung Tansy-Cake (Rainfarn-Kuchen) sind allerlei mittelalterliche Rezepte aus England überliefert, wo ein Eierkuchenteig mit Rainfarnblättersaft grün gefärbt: „On Easter Sunday be the pudding seen, to which the Tansy lends her sober green.“ Auch irische Drisheens (Blutwürste), Puddings und Fische wurden gerne mit Rainfarn gewürzt. Die Pflanze galt als gesuchtes Heilkraut gegen Eingeweidewürmer, im Frühling sollte sie vor allem das Blut reinigen.

Rainfarn – der Name bezieht sich auf den Feldrain, an dem die Pflanze gerne wächst, und auf die farnartig gefiederten Blätter.

Heute wird Rainfarn nicht mehr eingesetzt, jedenfalls weder in der Wildpflanzenküche noch als Heilpflanze. Bestenfalls in der Schädlingsabwehr kommt der stark riechende Rainfarn noch zum Zug, etwa gepulvert als Streumittel gegen Ameisen, als Brühe zur Abwehr von Raupen (vor allem bei Kohlgewächsen gegen Kohlweißlinge sowie bei Kartoffeln gegen Kartoffelkäfer) oder in Kräutersäckchen gegen Motten im Kleiderschrank wie in der Speisekammer. Das liegt an den Inhaltsstoffen. Zum einen können Sesquiterpene allergische Reaktionen auslösen, zum anderen findet sich im ätherischen Öl Thujon, ein Nervengift. Es kann Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, schwere Krämpfe, epilepsieartige Anfälle bis zum Koma und in hoher Dosierung auch den Tod verursachen. Rainfarn wurde einst nicht nur zur Abwehr jeglicher Dämonen in Wurmgestalt, sondern auch zu Abtreibungen eingesetzt.

Die Blütenköpfchen vom Rainfarn bestehen aus zahlreichen winzigen Röhrenblüten.

Deshalb bleibt der Rainfarn heute eine hübsche zierende Wildpflanze – er wird in allen Teilen giftig eingestuft. So wie er fürs Leben gefährlich werden kann, schätzten ihn unsere Vorfahren als lebensverlängernd und lebenserhaltend ein. Die schier nie vergehenden Blütenköpfchen versprachen ewiges Leben. Nach altem Glauben sollte Rainfarn die Verwesung aufhalten, weshalb man ihn in Leichentücher und Särge legte.

Unsterblich wurde dank Rainfarn Ganymed, laut griechischer Mythologie der Schönste aller Sterblichen. Der Junge war so attraktiv, dass sich selbst Göttervater Zeus in ihn verliebte. Als Adler verwandelt entführte Zeus Ganymed in den Olymp, wo er als Mundschenk für Wein, Ambrosia und Nektar dienen sollte. Damit Ganymeds Schönheit auf ewig erhalten bliebe, um ihm Unsterblichkeit zu verleihen, ließ Zeus ihn Rainfarnsud trinken. In gewisser Weise muss das gewirkt haben, denn Ganymed sehen wir heute noch in himmlischen Sphären: Er zeigt sich als Sternbild Wassermann. Nach dem schönen Jüngling benannt ist auch einer der galileischen Monde des Planeten Jupiter.

Wenn die Sonne ins Sternzeichen Wassermann wandert, markiert dies im Mittelmeerraum den Beginn der Regenzeit. Ganymed erweist sich dann immer noch als Mundschenk, allerdings löscht er jetzt den Durst der Menschen.

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