Die Gewöhnliche, Echte, Bauern- oder Garten-Pfingstrose (Paeonia officinalis) öffnete heuer exakt zum Fest, nach der sie benannt ist, ihre prunkvollen Blüten. Anders als die aus Asien stammenden, früher blühenden Strauch-Pfingstrosen (Paeonia lactiflora) bleiben sie zeit ihres Lebens (das sich durchaus über viele Jahrzehnte erstrecken kann) krautig, bekommen also keine holzigen Stämme, Äste oder Zweige. Alle oberirdischen Teile vergehen im Herbst, die Pflanzen ziehen sich im Winter vollständig unter die Erde zurück. Doch jetzt gerade fallen die aus Südeuropa stammenden Büsche besonders ins Auge. Die herrlichen, intensiv gefärbten Blüten verlocken – könnte man die nicht essen? Oder sind doch Giftstoffe enthalten? Wo die einen zur Zubereitung eines Sirups ermuntern, warnen andere, man könnte daran Schaden nehmen.
Immerhin heißt doch die Pfingstrose mit botanischem Namen Paeonia officinalis – Paeonia nach griech. paionios = heilend (Apollon, griechischer Gott der Heilkunst, trug den Beinamen Päon) und officinalis als Hinweis, dass die Pflanze offizinell, also heilkundlich eine Rolle spielt bzw. gespielt hat. Tatsächlich wurden Pfingstrosenwurzeln und -blüten früher medizinisch verwendet, gegen Epilepsie, Magenschmerzen, Alpträume sowie zur Abtreibung und mehr. Die Samen gab man, an Ketten aufgereiht, Kleinkindern zum Kauen, um deren Schmerzen beim Zahnen zu lindern.
Aber: Pfingstrosengewächse (Paeoniaceae) sind nahe verwandt mit Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae), und von letzteren weiß man doch, dass sie allesamt als giftig einzustufen sind (mit nur ganz wenigen Ausnahmen wie dem Scharbockskraut vor der Blüte). Also muss man mindestens in Betracht ziehen, dass auch Pfingstrosen nicht ganz giftfrei sind. Leider ist über die Inhaltsstoffe der Pfingstrose wenig bekannt. Die HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products) hält die Datenlage für zu gering, als dass eine Aussage zu Wirksamkeit und Verwendung oder eben auch zur Ablehnung möglich ist. Nachdem aber Wurzeln und Samen einst als Brechmittel, gegen schwere Krämpfe wie auch zur Abtreibung eingesetzt wurden, stimmt das doch nachdenklich.
Jedenfalls darf man die bei uns vielfach in Gärten gezogenen, teils sogar verwilderten krautigen Pfingstrosen keinesfalls mit den asiatischen Strauch-Päonien gleichsetzen. Letztere spielen in der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) mit Schwerpunkt auf immunologische Störungen eine bedeutende Rolle. Es spricht viel dafür, dass wir zukünftig noch viel von Pfingstrosen als Heilmittel hören – aber derzeit gilt: Was ich nicht hundertprozentig kenne und als unbedenklich einstufen kann, nehme ich nicht. Die Pfingstrosen sind doch auch viel zu attraktiv, als dass man ihre Blüten ernten wollte. Und ihre Wurzeln auszugraben, nehmen einem die Pflanzen immer sehr übel. Sie wollen ungestört bleiben, jahrelang. Höchstens die farbintensiven Blütenblätter nutze ich mal, wenn sie schon fast abfallen, um Blütentinte herzustellen.