Gänsefingerkraut

Bloß kein Krampf, her mit dem Krampflkraut: Das Gänsefingerkraut löst Spannungen

Überall zu finden, schnell zur Hand und dabei höchst wirksam, was will man von einer Heilpflanze eigentlich noch erwarten? Umso verwunderlicher, dass die genügsame Anserine, wie das Gänsefingerkraut (Potentilla anserina) auch heißt, ein wenig in Vergessenheit geraten ist, oft im Schatten ihrer nächsten Verwandten, der mächtigen Blutwurz (Potentilla erecta) steht.

Silberglänzend am Wegesrand

Gänsefingerkraut – der Name vereint zwei Eigenschaften. Einmal stecken die Gänse darin. Weil das Kraut sich auf Wiesen stark ausbreitete, wo Gänse weideten und es wegen seines strengen Geschmacks mieden. Auch Gänserich oder Anserine (nach lateinisch anser für Gans) beziehen sich darauf. Früher nahm man sogar an, dass der Gänsekot das Kraut entstehen ließe. Dies ist aber ein Märchen. Denn das Gänsefingerkraut treibt aus einem dicken Wurzelstock, seine langen Triebe kriechen über den Boden dahin und schlagen immer wieder Wurzeln.

Der zweite Namensteil Fingerkraut erschließt sich erst, wenn man es als nahe Verwandte der Fingerkräuter erkennt. Anders als bei Fünffingerkraut (Potentilla reptans) oder Blutwurz, deren Blätter einer Hand mit fünf Fingern vergleichbar sind, reckt das Gänsefingerkraut lang gestreckte Blätter, Palmwedeln oder auch einer Gänsefeder ähnlich, empor. An einer derben Mittelrippe reihen sich mal größere, mal kleinere Fiederblätter auf, deren Rand tief gesägt ist. Zumindest auf der Unterseite, an sehr sonnigen Stellen auch oberseits überzieht die Blätter ein silbriger Haarflaum.

Macht mit Macht kräftig

Im wissenschaftlichen Name Potentilla steckt Potenz, die Macht. Nämlich die Macht zu heilen. Während die Blutwurz als ergiebigste Gerbstoffdroge unter den heimischen Heilkräutern gilt, die stark zusammenziehend wirkt und sich für Kinder, Schwangere und empfindliche Menschen nicht eignet, lässt sich das Gänsefingerkraut als dessen milde Schwester einordnen. Ähnlich wie Blutwurz kommt Gänsefingerkraut bei Durchfallerkrankungen sowie leichten Entzündungen der Schleimhaut im Mund- und Rachenraum zum Einsatz.
Als Krampf- oder Krampflkraut macht sich das Gänsefingerkraut vor allem bei Frauen wichtig. Seit alters her wird es bei Menstruationsbeschwerden eingenommen, wenn Krämpfe den Unterleib plagen. Ein Tee, ein Umschlag, ein Kräuterkissen mit Gänsefingerkraut wirkt entspannend auf die glatte Muskulatur (also die Muskeln, die wir nicht willkürlich bewegen können) und verschafft schnell Linderung. Im Volk hält sich der Glaube, das Kraut könne auch jeglichen anderen Krampf lösen, etwa Wadenkrämpfe. Diese Wirkung ist jedoch nicht erwiesen.
Der Beweis fehlt auch für eine andere Kraft, über die das Gänsefingerkraut angeblich verfügt. Vor allem in der Schweiz wurde es zur Anregung unters Futter der Stiere gemischt, bevor man sie zur Kuh führte. Das Stiereblüemli oder Stierlichrut konnte dann aber dem Bauern auch nicht schaden…

Für alle Fälle

Gänsefingerkraut kann man fast das ganze Jahr hindurch finden. Geerntet werden vor allem die Blätter, vorzugsweise noch junge, zarte Exemplare – kurz vor und während der Zeit, in der die goldgelben Blüten an langen Stielen erscheinen. Diese erinnern in der Form ein wenig an die einfachen Schalen von Heckenrosen, und tatsächlich gehört das Gänsefingerkraut in die Familie der Rosengewächse. Die jungen Blätter eignen sich im Frühjahr und Frühsommer durchaus als würzende Zutat für die Wildkräuterküche. Zusammen mit anderen Kräutern kann man sie fein gehackt in Aufläufe, Strudelfüllungen, Pfannkuchen oder Quark und Butter rühren.
Aus den Blättern, die zunächst an einem schattigen, luftigen Ort schonend getrocknet werden, lässt sich bei Bedarf ein Tee aufbrühen. Er schmeckt ziemlich herb, trotzdem werden keine geschmacksverbessernden Teekräuter beigemischt, um die Wirksamkeit nicht zu schmälern. Diese Zubereitung kommt bei leichten Durchfällen zum Einsatz, vor allem wenn sie von ziehenden Schmerzen begleitet werden, sowie bei Regelschmerzen. Mit dem lauwarmen Tee spült man den Mund und gurgelt, wenn die Schleimhäute leicht entzündet sind. Halten die Beschwerden an, sollte unbedingt ein Arzt zu Rate gezogen werden.
Während von der nahe verwandten Blutwurz eine Tinktur aus den Wurzeln zubereitet wird, die sich leuchtend rot färbt, nimmt man vom Gänsefingerkraut für den alkoholischen Auszug bevorzugt die Blätter. Die Blutwurztinktur gilt als das starke, die Gänsefingerkrauttinktur als eher mildes Mittel bei Verdauungsstörungen. 

Aus alter Zeit

Wer ein Gänsefingerkrautblatt im Geldbeutel mit sich trägt, dem geht niemals das Geld aus – so eine alte Regel. Wer sich ein silbriges Blatt in den Hochzeitsschuh legt, hat in der Ehe das Sagen. Auch bei Gerichtsprozessen soll das Kräutlein helfen, wer es im Schuh trägt, gewinnt den Streit. Wurzeln, zu Johanni oder in der Andreasnacht gegraben und um den Hals getragen, bewahren vor bösem Zauber und wehren Dämonen ab. Wohl deshalb ist es über die Haustür gehängt worden, um ungebetene Gäste abzuhalten.

Im Garten ansiedeln

Wer das Gänsefingerkraut in seiner Nähe haben möchte, kann es im Garten an einer sonnigen bis halbschattigen Stelle pflanzen, beispielsweise am Rand einer Rasen- oder Wiesenfläche. Dem Gänsefingerkraut macht gelegentliches Betreten nichts aus, nach dem Mähen treibt es rasch wieder nach. Hat es mit seiner eleganten Erscheinung und wegen seiner Heilkraft nicht ohnehin verdient, wieder mehr in den Blickpunkt zu rücken?

Rezept Gänsefingerkraut-Tee

1 Teelöffel fein zerkleinerte, getrocknete Gänsefingerkrautblätter mit 250 ml kochendem Wasser überbrühen, zugedeckt 5-10 Minuten ziehen lassen, abseihen. Möglichst ungesüßt trinken, ein bis drei Tassen pro Tag.

Gänsefingerkraut-Tinktur

Ein Schraubdeckelglas zu einem Drittel mit zerkleinerten, getrockneten Gänsefingerkrautblättern füllen, mit hochprozentigem Alkohol (70 Vol.%) aufgießen, verschließen und an einen zimmerwarmen, dunklen Ort stellen. Täglich einmal schütteln, nach zwei Wochen absieben und die fertige Tinktur in dunkle Schraubflaschen umfüllen.
Von der Tinktur bei Bedarf 20 Tropfen, in Wasser oder Tee verdünnt, einnehmen, je nach Bedarf ein- bis dreimal pro Tag.

Rezept Anserinen-Milch

Alte Rezepturen empfehlen eine Zubereitung des Krampfkrauts in Milch, vorzugsweise Ziegenmilch, gegen Unterleibskrämpfe während der Menstruation. Dazu fünf bis sechs frische Gänsefingerkrautblätter bündeln oder grob hacken und mit 300 ml Milch aufkochen, bei milder Hitze 5-10 Minuten ziehen lassen, dann abseihen und nach Geschmack mit etwas Honig süßen. In kleinen Schlucken warm trinken.
Bleibt zu ergründen, warum diese Zubereitung mit Milch wirksam sein soll, denn die bestimmenden Gerbstoffe gehen eine Bindung mit den Eiweißen der Milch ein, es bilden sich unlösliche Komplexe – die auch keine Wirkung mehr zeigen…

Rezept Frauenwohl-Tee

Hilfreich bei krampfartigen Regelschmerzen: Gänsefingerkraut, Schafgarbenkraut, Melissenblätter, Kamillenblüten und Rosenblüten zu gleichen Teilen mischen. 1 Teelöffel dieser Mischung mit 250 ml kochendem Wasser überbrühen und zugedeckt 5 Minuten ziehen lassen, abseihen und genießen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Item added to cart.
0 items - 0,00