Für mehr Vielfalt: Samenfestes Saatgut

Wer ernten will, muss säen – dafür heißt es rechtzeitig Samen besorgen. Das Angebot ist groß, vom Gartencenter und Baumarkt über Gärtnerei und Lebensmittelmarkt bis zum Online-Shop findet man die kleinen bunten Tüten voller Samenkörnchen massenhaft. Aber welche Tüte ist die richtige? Etwa bei den Tomaten, da gibt es Sorten in Hülle und Fülle…

Da soll sich einer auskennen: Unzählige Samentütchen von Tomaten reihen sich im Regal aneinander. Soll man zur Schokoladen-Tomate `Kakao´ greifen oder zur gelben Paprikatomate `Yellow Stuffer´? Minibuschtomate `Romello´ oder die gegen Braunfäule unempfindliche Stabtomate `Vitella´? Wer genauer hinschaut, entdeckt hinter diesen Sortennamen immer das Kürzel „F1“. Das bedeutet erste Filialgeneration, d.h. Kreuzung in erster Generation. Es werden zwei Sorten gekreuzt, bei sortenreinen Eltern erhält man in dieser ersten Generation einheitliche Nachkommen. Vermehrt man diese Pflanzen weiter, tritt in der nächsten Generation – der F2 – genetische Aufspaltung auf. D. h. die genetischen Eigenschaften der Kreuzungspartner treten in den Nachkommen in den verschiedensten Variationen zu Tage.

Beispiel: Vatertomate dunkelrot und fade wird mit Muttertomate gelb und süß gekreuzt, aus den Samen wachsen F1-Tomaten, alle hellrot und aromatisch. Kreuzt man zwei von diesen F1-Tomaten miteinander, erhält man aus deren Samen als F2-Tomaten sowohl dunkelrot und süß, gelb und fade, rot und fade, gelb und aromatisch… eine bunte Mischung eben. Nachdem man den Samen nicht ansieht, welche Eigenschaften in ihnen stecken, muss man dabei viele schlechte Tomatenpflanzen in Kauf nehmen. Nicht selten setzen solche F1-Tomaten sogar gar keinen keimfähigen Samen mehr an, eine eigene Nachzucht wird damit völlig unmöglich.

Wer immer wieder hellrote, aromatische Tomaten haben will, muss stets Samen aus der Kreuzung der beiden ursprünglichen Elterntomaten kaufen – denn nur der Saatguthersteller erzeugt die.

F1-Hybriden versuchen durch besondere Eigenschaften zu überzeugen, etwa durch besonders große Früchte, besonders reiche Ernte, besonders attraktive Färbung etc. Aber Hybridsaatgut ist auch sehr teuer, weil es ja stetig neu erzeugt werden muss und der Züchter für seine Entwicklungsarbeit auch Geld verdienen möchte. Ein Samentütchen solcher F1-Tomaten enthält manchmal nur 5 Samen und kostet das Dreifache von anderen Tomaten, bei denen gleich hunderte Samenkörnchen drin sind (Samentüte mit 1 g Füllgewicht enthält 250-400 Samen).

Wichtiger als ein Preisvergleich ist jedoch, dass Hybridsorten die so genannten samenfesten Sorten verdrängen und damit die Sortenvielfalt stark schrumpft. Bevor die moderne Hybrid-Pflanzenzüchtung an Bedeutung gewann, wurden Sorten – darunter z.B. Tomaten wie die berühmten `Berner Rose´, `Zuckertraube´, `Ochsenherz´, `Andenhorn´, `Green Zebra´ oder `Rote Murmel´ über Jahrzehnte, teilweise Jahrhunderte auf bestimmte Eigenschaften wie Farbe, Geschmack, Form, Resistenzen usw. durch Kreuzung und Selektion gezüchtet. Vermehrt man solche Sorten über ihr Saatgut, erhält man in den nächsten Generationen Pflanzen mit denselben Eigenschaften – dies nennt man samenfest, sortenrein und nachbaufähig.

Wer von solchen Tomaten Samen selbst erntet und wieder aussät, bekommt also im nächsten Jahr Tomaten mit den gleichen Eigenschaften – selbst wenn die „Mutter“ von einem anderen „Vater“ befruchtet wurde. Die besonderen Sorten-Eigenschaften sind so stabil in der Erbsubstanz hinterlegt, dass sie sich durchsetzen. `Ochsenherz´ bleibt `Ochsenherz´.

Samenfeste Sorten sind also weitgehend alte Sorten, die sich bei Generationen von Gärtnern bewährt haben. Sie sind gewöhnlich bestens an die Wachstumsbedingungen einer Region angepasst, erweisen sich oft als besonders robust und widerstandsfähig gegen Schädlinge und Krankheiten, haben vollen Geschmack und viele weitere positive Seiten. Wenn sie nicht mehr durch ständigen Anbau „vital“ gehalten werden, verschwinden diese Sorten mehr und mehr – die Palette an Tomaten wie an anderen Gemüsen und Blumen wird immer kleiner. Und es kommt vor, dass die Tomate, an die man sich so deutlich aus der Kindheit erinnert – voll, prall, saftig, geschmackvoll, duftend – niemals wieder zu finden sein wird.

Wo gibt es samenfeste Sorten?
Bei Verbänden wie VEN, Arche Noah, Pro Specie Rara
Bei spezialisierten Saatgutanbietern wie Bingenheimer, Dreschflegel, Samenfest
Teils bei großen Saatgutanbietern, dort speziell gekennzeichnet

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