DSDS im grünen Bereich

Vor langer Zeit, als die Winter noch richtige Winter waren und die Pflanzen mit Frost, Reif und Schnee über lange Zeit in einen Dornröschenschlaf zwangen, da hatte alles noch seine Ordnung. Blumen, Sträucher und Bäume hielten sich sang- und klanglos an die Ruhezeiten. Keinem Gewächs wäre eingefallen, verfrüht aus der Erde zu spitzen, seine Knospen zu öffnen. Geduldig warteten alle auf das Signal. Die Ehre, den Frühling und damit das große Erwachen einzuläuten, fiel den Schneeglöckchen zu.

Aber die Zeiten ändern sich. Die Erde schien sich schneller zu drehen, die Polarwinde hatten es eilig weiter zu kommen, der Frost drang nur noch flach ins Erdreich, der Schnee ließ sich schleunigst fortwehen, die Winter wurden wärmer. Die Pflanzen gingen immer später in die Winterruhe und fielen kaum noch in Tiefschlaf. Unruhig wälzten sie sich in ihrem Erdbett und blinzelten durch ihre Knospenschuppen. Los jetzt?

Die Tage waren schon wieder länger, zu Neujahr war es erst ein Mückenschiss, zu Dreikönig ein Hirschensprung und jetzt zu Lichtmess Anfang Februar gleich eine ganze Stunde. Dem Winter zerfloss sein grauer Eisbart, die Vögel fingen schon zu singen an. Da konnte man doch glatt ans große Frühlingserwachen denken. Grün ist die Hoffnung. Wer wagt’s?

Den einen kribbelte es in den Wurzelspitzen, den anderen juckte es in den Zweigfingern. Das Gänseblümchen reckte ein Blütenköpfchen. Der Haselstrauch streckte ein Blütenkätzchen. Sollte man die milden Tage nicht nutzen und mit dem Wachsen beginnen? Wer früher blüht ist länger fruchtbar. Wieder andere ließ all das kalt. Eiche und Esche schüttelten unmerklich ihre Kronen über solche Ungeduld. Und wenn dann doch alles anders kommt, waren alle Mühen vergebens, erfrieren die jungen Blätter im Spätfrost, zerdrückt es die zarten Blüten unterm Märzenschnee.

Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Lass die alten Bäume doch reden, meinte das junge Gemüse. Weg mit alten Zöpfen. Alles neu macht der Februar. Immerhin ist Fasching, Fastnacht, Karneval – Wintertreibaus, treib nicht nur den Winter aus, treibe im Winter aus. Halt! Im März beginnt frühestens der Lenz, meinten die alten Baumherren. Jetzt ist erst die Zeit der Narren, da kann man sich höchstens zu einem solchen machen.

Die Meinungen gingen immer weiter auseinander. Jugendlich frisch austreiben oder ewig gestrig die Zeit verschlafen? Es entbrannte ein heftiger Streit im Pflanzenreich. Ein Wettstreit. DSDS – Deutschland sucht den Supersprießer! In der Jury: Flora Dora, ewig jung mit uralter Weisheit und Top-Titanin in Sachen Grünzeug, Biene Sabine, gestreifte Expertin im Erblühen, und Rosenstolz, Schönheitskönigin und erfahren in Castings wie keine andere unter den Blumen. Ein Raunen im Publikum: Wer tritt als erster auf? Wer mitmachen will, muss sich jetzt sputen. Während die Gehölze sich weise zurückhalten, drängeln sich die jungen Wilden ins Rampenlicht.

Die Show beginnt. Kandidatin Nummer eins ist die Vogelmiere. Grün, und nochmals grün. Alles frisch gewachsen. Okay, durchgewunken. Als Nummer zwei zeigt sich die Brennnessel. Sie hat schon unterm alten Laub getrieben. Aber sie stichelt, sie ätzt und das mag die Jury gar nicht. Als Dritter zeigt sich der Gundermann. Der fällt gleich durch, seine Kurven sind nicht sexy genug, außerdem ist das Blattkleid zu alt. Zwei weitere Bewerber um den Titel Supersprießer ernten viel Applaus, ein Lippenblütler und ein Wegerichgewächs kommen in den Recall. Feldsalat und Springschaumkraut sind der Jury viel zu gewöhnlich.

Der Winter bleibt milde gestimmt, das große Wetteifern geht weiter. Es wird gesprossen, was das Zeug hält. Bei der Hasel staubt’s golden. Die Weide hüllen sich in silbrige Pelzmäntelchen. Stolz geschwellt präsentiert der Kirschbaum seine Knospen. Der Spitzwegerich richtet seine Laubspitzen am Wegrand auf. Der Löwenzahn zeigt Löwenmähne und Blattzähne. Beim Weidenröschen formen weidenschlanke Blätter Rosetten. Noch immer rührt sich dagegen bei der Eiche nichts, auch die Esche trägt stumm und starr ihre schwarzen Spitzen.

In der Mottoshow „Flower Power“ gilt es jetzt. Wer Deutschlands Supersprießer werden will, muss nicht nur aberwitzig früh austreiben, vorwitzig grüne Blätter zeigen. Jetzt heißt es alles auf eine Karte setzen und – blühen! Hätte das Gänseblümchen teilgenommen, es wäre wohl Sieger geworden. So aber eifern andere um den Sieg. Die Vogelmiere setzt sich ein weißes Sternenkrönchen auf. Leider nur sehr klein. Etwas mehr Protz dürfte schon sein. Die Taubnessel lässt verschämt purpurne Spitzen unter lila Blättern blitzen. Mehr hat sie nicht zu bieten? Veronica aus Persien, himmelt Jury und Publikum mit blitzeblauen Blütenaugen an, klimpert mit dunklen Wimpern, und strahlt mit azurblauen Lidstrichen. Applaus, Applaus! So verdreht man allen den Kopf. Nicht einmal Eiche und Esche ließ das mehr kühl, sondern brachte die Säfte in Wallung.

Großes Finale. And the winner is: Veronica. Der Lenz ist da… Ein Pflänzchen mit Migrationshintergrund hat den Wettbewerb gewonnen. Mutig, frech und glanzvoll. Hat ausgetrieben, komme was da mag. Hat Blütenknospen angesetzt, ohne Rücksicht auf Verluste. Hat ein Make-up aufgelegt, dass einem die Sinne schwindeln. Deutschlands Supersprießer. Ehre dem Preisträger. Ehrenpreis forever ist als Titel der Lohn. Und nächstes Jahr: Die nächste Staffel DSDS. Vielleicht mit der Mottoshow „Cool and Crazy“.

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