Des Goldes Schein

Dereinst, vor nicht zu ferner Zeit – „Indien“ war gerade vor einem Jahrhundert entdeckt – reiste ein abenteuerlustiger Pflanzenfreund (oder war er ein Pflanzenjäger?) über das große Meer gen Westen. Hatte er doch von den ungeheuren Reichtümern gehört, die in den fremden Ländern auf Entdeckung warteten. Nach langer Seefahrt erkundete er die Flora und staunte ob der exotischen Fülle an Pflanzen, die er niemals vorher gesehen hatte. Es glühte vor kleinen und großen Sonnen, als wäre das große Himmelsgestirn zersprungen und hätte sich vieltausendmal auf dem fruchtbaren Boden vervielfältigt.

Golden leuchteten ihm nicht allein Sonnenblumen und Sonnenaugen, Sonnenhüte und Sonnenbräute entgegen. Ganz andere Gewächse sprangen ihm ins Auge und weckten seine Begierde. Aus der Ferne schien sich ein goldenes Meer sanft im Wind zu wiegen. Von der Nähe betrachtet waren es Myriaden von goldenen Blütchen an langen Ruten – zahllos wie die Tropfen in der See, über die er aus seiner Heimat hierher in die neue Welt gekommen war.  Der Pflanzenfreund war überzeugt, dass es sich dabei um die sagenhaften Schätze handeln musste, von denen man stets munkelte. Gold, in Hülle und Fülle. Hinter jedem Baum ein neues Feld voller Gold.

Bald schon würde der Segler zurück in die Heimat aufbrechen, also schnell den Goldschatz gejagt und gehoben. Der Pflanzenfreund brach die Ruten, stopfte sie in Tröge und Truhen, er zog sie samt Wurzeln heraus und steckte sie in Töpfe, er rupfte die Blüten und ließ sie in Tüten rieseln. Alles gut verschnürt in den Schiffsbauch verpackt. Heim, voller Vorfreude auf die staunenden Gesichter der Daheimgebliebenen. Schon sonnte sich unser Freund im Glanz des Goldes.

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