Bittersüßer Nachtschatten

Des Rätsels Lösung vom 5.8.2022: der Bittersüße Nachtschatten (Solanum dulcamara).

Seltsam, wie manche Nachtschattengewächse mit Bestäubung verfahren. Die fünf Staubblätter sind dicht zusammengeneigt, teils verwachsen und weisen nach unten. Der Blütenstaub kann nur durch winzige Löcher aus den Staubbeuteln ausgestreut werden. Noch dazu ist er recht klebrig. Einerseits gut, denn der Pollen kann so direkt auf die darunterliegende narbe fallen – für eine Selbstbestäubung. Andererseits schwierig, denn wie gelangt der Pollen auf fliegende Bestäuber für einen Weitertransport?

Das wird über Erschütterungen gelöst. Der Bittersüße Nachtschatten setzt auf “good vibrations”, nämlich Vibrationsbestäubung, englisch buzz pollination. Hummeln greifen die Blütenblätter fest mit Vorderbeinen und Kiefern und schlagen schnell mit den Flügeln. So erzeugen sie Druckwellen, durch die Erschütterungen geben die Blüten den Pollen frei. Dabei ist meistens ein ganz spezielles Brummgeräusch zu hören. Auch bei Tomaten, Paprika und Kartoffeln, ebenso bei Heidelbeeren und Bärentraube lässt sich diese Bestäubung verfolgen.

Angelockt werden die Insekten beim Bittersüßen Nachtschatten durch zehn je zu Pärchen gruppierte grünweiße Flecken. Dies sind Saftmale, als Staubbeutelattrappen zu deuten, sie verheißen üppige „Verpflegung“. Einen Teil des Blütenstaubs verwenden die Hummeln für sich und ihre Brut als Nahrung, den Rest verteilen sie weiter auf andere Blüten.

Je erfolgreicher die Bestäubung, desto üppiger fällt auch der Fruchtansatz aus. Die eiförmigen Beeren des Bittersüßen Nachtschattens locken Vögel an, wenn sie in der Reife weithin sichtbar rot leuchten. Während Vögel die Früchte dieses Kletterstrauchs problemlos vertragen, gilt der Bittersüße Nachtschatten für Menschen als giftig.

Wobei? Sind nicht auch Tomaten prinzipiell giftig, ihre reifen Früchte dagegen nicht? Könnte man die vollkommen ausgereiften Beeren vom Bittersüßen Nachtschatten dann nicht auch verzehren? Ich würde es nicht probieren, ich rate dringend davon ab! Es gibt mehrere Berichte, dass Menschen aus den Früchten Marmelade zubereitet und gegessen haben, mit schlimmen Folgen.

Und doch? Da gibt es tatsächlich Berichte von Wunderbeeren (wonderberries) und Garten-Heidelbeeren (garden huckleberries), die in den USA, in Osteuropa und in der Ukraine gegessen werden, das sind Kultur-Nachtschatten wie Solanum x burbankii und Solanum melanocerasum. Die schwarzen “Heidelbeeren” verzehrt man roh, als Aufstrich, in Muffins…

Der Bittersüße Nachtschatten gehört zu den Nachtschattengewächsen (Solanaceae), über die schon Otto Brunfels (1488-1534) in seinem Contrafayt Kräuterbuch schrieb: „Diß kraut würt auch sonst gebraucht, wider die schäden die die hexen den leuten zufügen, und das uff mancherley weiße, noch gelegenheit des widerfarenden schadens, nicht on sonderliche supersticion und magia. Würt deßhalb in sonderheyt Nachtschatt genannt.”

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