Wunsch an die Hasel

Ist es nach wie vor Winter, oder doch schon Frühling? Es ist nicht sehr kalt, aber auch nicht recht warm draußen, der Tag voller Nebel heute. Mein Blick fällt aus dem Fenster direkt auf eine große Hasel. Noch kahl wiegen sich die biegsamen Zweige im Wind. Ein Buntspecht klopft mit seinem Schnabel an den Astlöchern, klettert immer weiter nach oben. Was er wohl sucht? Den Lenz?

Der wartet schon deutlich sichtbar im Haselstrauch. Kätzchen baumeln von den Zweigspitzen, ungezählt ist die Schar. Schon bald werden sie ihren Blütenstaub verstreuen, goldene Wolken durch die Luft wabern. Und wer genau hinsieht, bemerkt winzige rote Pinselchen an den Zweigen. Begierig strecken sie sich dem Staub entgegen – die Haseln feiern demnächst Hochzeit.

Eine fruchtbare Angelegenheit soll es werden, reichlich Nachwuchs bringen. Frau Hasel gilt schließlich als Sinnbild des Lebens und der Fruchtbarkeit. Wenn es viele Nüsse gibt, bringe das auch reichlich uneheliche Kinder im Folgejahr, so glaubte das Volk. Damit sich die Lebenskraft und die Zeugungsfreudigkeit auf den Menschen überträgt, pflanzte man die Haseln nahe der Häuser – ob das auch heute noch so gilt?

Gerten zum Hüten des Viehs, Stäbe zum Stützen von Stauden, Wünschelruten und Zauberstäbe, aber auch Zweige zur Züchtigung schneidet man von der Hasel. Wer kennt noch den alten Spruch: „Ich schneid dich, liebe Ruten, dass du mir musst sagen, um was ich dich tu fragen.“ Ich werde wohl bald mal ein paar Haselzweige holen, und um Rat fragen…

Und da fällt mir ein: Im Keller liegt noch ein Säckchen voller Nüsse, Haselkindchen in hölzerner Wiege. Eichhörnchen und Eichelhäher waren letzten Herbst fleißig, sie haben reichlich Nüsse versteckt, bald werden überall junge Haseln aufgehen. Da darf ich ruhig ans Knacken gehen.

Beim Öffnen der Nüsse fallen mir viele märchenhafte Dinge ein. Aschenputtel, die unter einem Haselstrauch um Hilfe bittet – Bäumchen rüttel dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich. Rotkäppchen, dessen Großmutter hinter den Nusshecken wohnt. Das Märchen vom Nusszweiglein, das der reiche Kaufmann seiner jüngsten Tochter von der Reise mitbringt, für das er sie aber dem Bären vermählen muss. Haselruten, mit deren Hilfe man in Tiere verwandelte Menschen erlösen kann. Heckengebüsche, hinter denen die Welt der Feen und Zwerge beginnt. Wundersame Nüsse, die geheime Wünsche erfüllen.

Liebe Hasel, ich wünsch mir was:
Frühling!

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