Wohl kaum eine andere Jahreszeit wird so leidenschaftlich herbeigesehnt wie der Frühling. Alle halten Ausschau nach Boten, die den Lenz ankündigen – und davon gibt es eine Menge. Eichhörnchen jagen frisch verliebt durchs Geäst, Hummeln und Erdkröten erwachen aus dem Winterschlaf. Unüberhörbar schwatzen, pfeifen und schnalzen die Stare, die als erste der Zugvögel zurückkehren, was die Amseln und Spatzen schon länger von den Dächern gepfiffen haben: Winter ade! Natürlich signalisieren auch viele Pflanzen, dass eine neue Wachstumssaison beginnt – um diese soll es hier gehen, vor allem um solche Gewächse, die eng mit dem März verbunden sind. Wenn ihr Bezug zum März offensichtlich oder im Text beschrieben ist, übernehmen dies alte Volksnamen, die jeweils in Klammern hinter dem geläufigen Pflanzennamen stehen.
März – der erste Frühlingsmonat
Dem Eismond (Januar) und dem Schneemond (Februar) folgt der Lenzmond, der März. Mit dem 1. März startet der meteorologische Frühling. Erst drei Wochen später, heuer am 20. März um 22:58 Uhr mitteleuropäischer Zeit, steht im Kalender Frühlingsbeginn. Denn dann ist Frühlings-Tagundnachtgleiche. Die Natur hält sich jedoch an ihre eigenen Regeln, sie achtet weder auf Wetterfrösche noch Jahrbücher. Je nach Region und Witterungsverlauf, ganz nach zahlreichen weiteren Einflüssen eröffnet sie die Frühjahrssaison zu unterschiedlichen Terminen, von Ort zu Ort und von Jahr zu Jahr anders. Egal welches Datum, eines ist sicher: Die Pflanzenwelt platzt aus allen Nähten, kaum dass der Schnee schmilzt und die Strahlen der Sonne die Erde wärmen.
Wann in der Natur welche Jahreszeit herrscht, macht man anhand der Entwicklung ausgewählter Zeigerpflanzen fest. Das sind überall vorkommende Arten, die bereits über lange Zeiträume beobachtet werden – so etwa Hasel und Salweide, Holunder und Eberesche. Ihr Entwicklungsstand wird seit Langem dokumentiert und verglichen – damit beschäftigt sich die Phänologie (mehr dazu unter www.dwd.de oder www.naturgucker.info). Weitgehend in den März fällt der Vorfrühling, die erste von drei Frühlingsphasen. Mit der Blüte von Forsythien geht es in den Erstfrühling, die Apfelblüte markiert den Vollfrühling.
Die Klimaerwärmung lässt sich anhand von diesen Aufzeichnungen deutlich nachweisen. So blühen typische Frühjahrszeiger der Natur wie Hasel (Märzenmockeli, Märzzickel, Märzzappelchen), Erle, Schneeglöckchen (Märzglöckchen, Märzveilchen) und Huflattich (Märzenblume, Märzbecher) heute viel früher als noch vor wenigen Jahrzehnten, bisweilen schon im Dezember des Vorjahres. Rund eineinhalb bis etwas über drei Tage pro Jahrzehnt haben sich die Blütezeiten nach vorne verschoben, das Austreiben der Waldbäume hat sich sogar um fünf Tage pro Dekade verfrüht. Aus so manchen „Märzblumen“ sind inzwischen „Februarblumen“ geworden.
Frühling in der Stadt
Woran erkennt man in den Großstädten, dass der Frühling Einzug hält? Cafés decken ihre Tische draußen, Eisdielen eröffnen wieder, Cabrios fahren mit offenem Verdeck, die Menschen tragen ihre Mäntel offen und an den Blumenständen locken mit knalligen Farben gebündelte Tulpen. Doch in den von Beton und Asphalt geprägten Metropolen entdecken aufmerksame Beobachter auch florale Frühlingsboten. Begünstigt durch die wärmespeichernde Umgebung fangen Zierkirschen (Märzkirschen) und Narzissen (Märzenbecher, Märzschelle, Märzkelch) besonders zeitig zu blühen an, in den Parks und Vorgärten sieht man schon Schlüsselblumen (Märzenblumen) und Duftveilchen (Märzveilchen), Kornelkirschen überziehen sich mit einem gelben Blütenkleid.
Zu Hunderten, Tausenden, millionenfach werden Stiefmütterchen, Tausendschönchen, Vergissmeinnicht und bunte Zwiebelblumen in Kästen und Kübel gesetzt. Die Stadtgärtner richten sich sicher nach der alten Volksweisheit: „Wenn‘s erst einmal Josefi (19.3.) ist, so endet auch der Winter gewiss.“ In Ausstellungen und anderswo trifft man vielleicht auch auf eine Allegorie des Frühlings, meist in Form einer jungen Frau, die einen Blumenkranz als Kopfschmuck trägt, Blumenzweige in den Händen hält oder eine Blumenkette bindet. Oft ist es die Göttin Flora selbst. Laut griechischer Mythologie vermählt sich Zephyr, der Gott des Westwinds (der lebenspendende Geist der Welt), mit der winterweiß gewandeten Nymphe Chloris, verwandelt sie in die Frühlingsgöttin Flora, die ein blütenübersätes Kleid trägt, und schenkt ihr einen wunderschönen Garten, gefüllt mit Blumen und Pflanzen, in dem ewiger Frühling herrscht. Diese Szene findet sich auf dem berühmten Gemälde „Primavera“ von Sandro Botticelli wieder.
Frühling auf dem Land
Auf dem Land, wo es mehr Bier- als Weintrinker gibt, sticht man zu Josefi am 19. März ein Fass mit weltlichem „Manna“ an, denn „Flüssiges bricht das Fasten nicht!“. Das zu diesem Zweck gebraute Starkbier ist außerordentlich kräftig und hat pro Liter rund 700 Kalorien. Das Josefiblümerl fällt denen ins Auge, die nicht so sehr dem Biertrinken frönen, sondern den Frühling lieber draußen suchen. Unter Laubbäumen leuchtet in schönstem Lila das Leberblümchen, auch Blaues Märzblümchen oder Himmelssternchen genannt. In Oberbayern heißt es auch Staudenguckerl – weil es aus den Stauden, aus dem Gebüsch hervorschaut.
Imker gehen am Josefstag zum Bienen-Aufwecken, klopfen dabei sanft auf die Bienenstöcke und vertrauen auf den alten Spruch: „Ist Josefi klar, gibt’s ein gutes Honigjahr!“. Dafür sollte auch überall gesät und gepflanzt werden, damit die Bienen reichlich Nahrung finden. Aber davon wird seit alters her gesungen: „Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt. Er pfleget und pflanzet all’ Bäume und Land.“
Schließlich sorgen auch die Hobbygärtner für frühlingshafte Blütenfülle und damit für die Bienen. Krokusse, Winterlinge, Schneestolz, Zwergiris, Strahlenanemone, Hyazinthen wetteifern mit Scheinhaseln, Scheinquitten, Duftschneeball und Sternmagnolie, wer zuerst die Knospen öffnet. Wie wunderbar, wenn fast aus dem Nichts und schier über Nacht auf einmal alles in voller Blüte steht. Das ist vor allem der Kunst der Geophyten zu verdanken, die dank vollgepackter unterirdischer Speicherorgane ihre Blüten blitzschnell an die Oberfläche schicken können.
Frühling im Garten
„Ist St. Gertraud (17.3.) sonnig, wird dem Gärtner wonnig.“ In den Gärten gibt es viel vorzubereiten, bald kommt das erste Gemüse in die Beete. Blausterne tragen nach ihrer frühen Blütezeit in vielen Regionen auch den Namen Josefikraut oder Gertrudenblümchen. Schier über Nacht sprießt das Scharbockskraut, schmücken die adretten Rosetten von Gartenschaumkraut und Hirtentäschel die noch nackte Erde. Weil sie allesamt viel später blühen, hat ihnen das Volk keine März-Namen gegeben, sondern betrachtet sie als Mai-Blümchen. Gänseblümchen (Märzenröslein) tupfen den Rasen, Löwenzahn (Märzenbusch) macht sich breit, die Nelkenwurz (Märzwurz) treibt. Obwohl er im März noch kaum beachtet wird, sei auch der Giersch hier aufgezählt, denn er beginnt fleißig Blättchen zu schieben. Das heißt für viele Gärtner noch immer: Der alljährliche Kampf mit dem Unkraut beginnt. Deshalb haben 2003 Garten-Blogger in den USA den 28. März zum Ehrentag des Unkrauts (engl. Weed Appreciation Day) erklärt, um die unliebsamen Gewächse zu ehren und auf deren Wert hinzuweisen.
Am Wasser und am Wald
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche“, es blinken silbern die Weidenkätzchen, weshalb man vor allem die Salweide mit ihren besonders auffälligen Blütenständen auch als Märzenkatze bezeichnet. Bei den Pappeln (ähnlich wie die Weiden Palm oder Palmbaum genannt, und Palmsonntag fällt oft in den März) sieht man bereits dicke Würste baumeln, aus dicken Knospen haben sich an den einen Bäumen die männlichen, braun bis rötlich gefärbten und an anderen Bäumen die weiblichen grüngelben Kätzchen entwickelt. Die männlichen Kätzchen vertrauen ihre Pollenkörnchen zu Abermillionen dem Wind an, damit er sie zu den weiblichen Blüten trägt und wenigstens ein paar davon ankommen. Alles, was botanisch Kätzchen ist, wird vom Volksmund Märzennudeln genannt, und Kätzchenträger müssen sich beeilen. Denn wenn erst einmal die Blätter erscheinen, wird es auch für Hasel und Hainbuche für den Blütenstaubtransport schwierig. Und die Säfte steigen unaufhörlich, was die Knospen sichtbar schwellen und bald auch die ersten Blätter austreiben lässt.
Der Frühjahrssaftstrom, mit dem eingelagerte Reserven mobilisiert und in den Stämmen nach oben geschickt werden, kommt mit steigenden Temperaturen so richtig in Wallung. Davon profitiert die Schuppenwurz, ein Vollschmarotzer aus der Familie der Sommerwurzgewächse mit seltsam anmutenden fleischfarbenen Blütenständen. Das gänzlich ohne Blattgrün lebende Gewächs zapft verschiedene Baumwurzeln an, um an den nur im zeitigen Frühjahr fließenden zucker- und mineralstoffhaltigen Saft zu gelangen – nur damit kann die Pflanze gedeihen. Früher nannte man sie Maiwurz oder Georgenwurz, weil sie im Mai bzw. um Georgi (23. April) auftauchte. Heute erscheint eine Umbenennung in Märzenwurzel passender.
Am Ufer und an sehr feuchten Stellen schieben sich bizarre Blütenkegel ans Licht, die Pestwurz blüht – lange bevor ihre Blätter austreiben, die später zu riesigen Elefantenohren heranwachsen. Ebenso treibt es der Huflattich (Märzenstern), dessen filziges Laub deutlich später ans Licht kommt. Sohn-vor-dem-Vater oder Tochter-vor-der-Mutter nennt man solche Gewächse. Wie für Geophyten üblich, lagern sie Reservestoffe in ihre unterirdischen Rhizome ein, um im Frühling besonders rasch ihre Blüten entfalten zu können. Waren Sommer und Herbst des Vorjahres allerdings sehr trocken, fällt die Blüte eher mager aus, weil kaum Blütenknospen angelegt wurden.
Vom Auwald bis in die Heiden
Wo das Wasser rauscht, kommt der Frühling meistens besonders früh und schnell. Wo noch Auwälder stehen, treibt es Pflanzenliebhaber genau im Vorfrühling hin – denn begleitet von vielstimmigem Vogelgezwitscher breiten sich dort phantastische Blütenteppiche aus. Oft gemeinsam mit dem Bärlauch wächst der Aronstab (Märzenkindlein). Die beiden ähneln sich im Austrieb sehr, man sollte sie genau auseinanderhalten können.
Frühlingsknotenblumen (Märzenbecher, Märzglöckchen) verbreiten mit unzähligen Blüten einen veilchenartigen Duft. Daneben zeigen sich Lungenkraut (Gertrudisblümchen), Gelbsterne (Märzenstern) und die ersten Windröschen, schneeweiß das Buschwindröschen und sonnengolden das Gelbe Windröschen, beide auch Märzenblumen geheißen. Wo der Wald lichter wird, steigt einem der Duft vom Seidelbast (Märzenrose) in die Nase. Nur noch selten in Wäldern (dafür umso mehr in Gärten) blitzen die schneeweißen Blüten der Schwarzen Nieswurz (Märzenkalbln – heutzutage als Christrose mit Blütezeit um Weihnachten bekannter) auf. Und wo es trocken und karg wird auf Weide- und Heideflächen, hüllen Küchenschellen (Märzenglöckchen) ihre zarten Blütenkelche in pelzige Hochblätter.
Hie und da leuchten schon erste buttergelbe Blütenschalen der Sumpfdotterblumen (Georgirosen) und blitzen blaue Blütenkelche vom Frühlingsenzian (Georgennäglein). Sie weisen schon deutlich auf die nächsten phänologischen Frühlingsabschnitte, den Erst- oder Mittfrühling sowie den Vollfrühling hin. „Auf St. Georgs Güte stehen alle Bäum‘ in Blüte.“ St. Georg, kurz Georgi, am 23. April galt einst als der wahre Frühlingsanfang, mit dem die Arbeit im Freien wieder begann. Die Bauernregel „Ist Georgi vorbei, gehen die Wiesen ins Heu.“ soll aufmerksam machen, dass ab diesem Tag die Bannfrist für Heuwiesen beginnt (dauert bis Michaeli am 29.9.), während der es weder von Vieh noch von Menschen betreten werden darf. Da blühen dann schon Wiesenschaumkraut (Aprilblumen) und Lerchensporn (Aprillen), aber das ist eine andere Geschichte.
„Das Schöne am Frühling ist, dass er immer gerade dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht.“, meinte der Schriftsteller Jean Paul (1763-1825). Es gibt viel zu entdecken im März – also nichts wie raus, den Frühlings willkommen heißen. „Kunigund (3.3.) macht warm von unt.“ Und die Märzsonne, die täglich an Kraft gewinnt, tut ein Übriges. Auch wenn der gefürchtete Märzwinter, ein in Mitteleuropa häufig auftretender Kaltlufteinbruch, noch einmal die Frühlingslüftchen etwas abkühlt: „Märzenschnee und Jungfernpracht dauern oft kaum über Nacht.“ Nur keine Frühjahrsmüdigkeit vorschützen, erstes feines Grün von Wildkräutern kurbelt den Stoffwechsel an. Das ist doch wahre Pflanzenlust!