Eine alte Sage, festgehalten in den Natursagen von Oskar Dähnhardt (1870-1915), erzählt Folgendes über Gott, den Teufel und das immergrüne Laub:
Dem Teufel gefiel es gar nicht, dass der Machtbereich Gottes sich immer weiter ausbreitete, während er sich ins Dickicht des finsteren Waldes und ins Dunkel der Nacht zurückziehen musste. Er schlug eine Abmachung über eine wechselnde Herrschaft zwischen Himmel und Hölle vor. Solange der eine schaltete und waltete, hätte sich der andere zurückzuziehen – und zwar sollte Gott an der Reihe sein, wenn das Laub auf den Bäumen sei; der Teufel aber hätte das Regiment, wenn der Wald entblättert wäre.
Der Vertrag wurde ohne Zeugen an einem entlegenen Ort auf der Heide zwischen Gott und dem Teufel abgeschlossen. Nur der Eichelhäher, der sich unter dürrem Laub versteckt hatte, bekam den Handel mit. Er schrie alles haarklein in den Wald hinaus, so dass alle Bäume, Sträucher und anderen Gewächse es hörten.
Als der Herbst kam, warfen nicht alle Gewächse des Waldes ihre Blätter ab. Tanne, Stechpalme und Wacholder blieben grün. Auch Mistel und Efeu hielten ihre Blätter fest, so dass kahle Bäume trotzdem wirkten, als stünden sie mit Laub da. Andere Bäume wie Eiche und Buche hielten wenigstens ihre trockenen Blätter fest, damit der Teufel nicht sagen konnte, der Wald stünde kahl da und seine Herrschaft beginne. Bis ins Frühjahr war der Wald also wenigstens ein bisschen belaubt.
Dem Teufel blieb nichts übrig, als sich in die Hölle zurückzuziehen. Ab und zu versucht er, den Bäumen ihre Blätter zu entreißen, indem er Sturm und Frost schickt, und allen eine gehörige Furcht einjagt. Doch der immer noch grüne Efeu und die anderen standhaften Gewächse verheißen Zuversicht – der liebe Herrgott waltet noch, bald wird das grüne Blätterkleid noch üppiger und das dürre Laub durch frisches, grünes ersetzt. Da hat der Teufel keine Chance!