Natürlich unnatürlich II

Was fällt besonders auf? Was ist besonders beliebt? Was will man besonders haben? Alles, was aus der Reihe tanzt. Das gilt auch für Pflanzen. Was in der Natur eher als Fehler oder Fehlversuch zu werten ist, finden wir Menschen besonders begehrens- und erhaltenswert. Bunt gemusterte Pflanzen beispielsweise. Da wird der Giersch (Aegopodium podagraria) – sonst die wohl am meisten gehasste Pflanze vieler Gärtner – plötzlich zu einem Must-have. Bloß weil er keine natürlich grünen, sondern unnatürlich grün-weiße Blätter hat.

Faszinierend unnatürlich

Variegation oder Panaschierung nennt man das Auftreten verschiedenfarbiger Zonen auf Blättern. Häufig entstehen diese Farbmuster, weil in vielen Zellen kein Chlorophyll mehr gebildet wird – durch das fehlende Blattgrün werden diese Blattabschnitte weiß oder gelblich. Manchmal kommen anstelle des Grüns dann andere Farbstoffe wie Flavonoide oder Carotinoide ins Spiel, die Blätter tragen eine mehrfarbige Marmorierung. Die nicht-grünen Bereiche können sich über die gesamte Blattfläche, auch mal über nur eine Hälfte des Blattes, auf den Blattrand, entlang der Adern oder auch unregelmäßig verteilt erstrecken.

Das macht was her

Pflanzen – ob im Zimmer, auf dem Balkon, im Garten – hat jeder irgendwie. Aber wie der Mensch eben ist, will er sich herausheben aus der Menge, zeigen was er hat. Da werden Pflanzen mit speziellen Eigenschaften zu Statussymbolen. Ein fancy Philo oder Ficus statt altbackenem Baumfreund oder Birkenfeige im Wohnzimmer ist ja schon gut, aber wenn deren Blätter auch noch funky marbled oder crazy spotted sind?

Eine Monstera mit weißen Blattspots oder gar Blättern in halb weiß-halb grün wirkt doch viel extravaganter als ein rein grünes Fensterblatt, weil Letztere doch alle haben? Das macht weiß-bunte Pflanzen zur Dubai-Schokolade, zur it-bag: CATCH THE PANACHÉE PLANTS!

Und wie kommt’s?

Panaschierung beruht meistens auf einer Mutation, einer Veränderung im Erbgut. Die kann spontan auftreten oder entsteht durch einen Virusbefall. Manchmal sind auch Umwelteinflüsse die Ursache, etwa Kälte oder Nährstoffmangel. Künstlich erzeugen lassen sie sich, indem die Pflanzen mit Röntgenstrahlen oder UV-Licht bestrahlt oder mit aggressiven Chemikalien behandelt werden.

Die Farbmuster auf Blättern lassen sich nur selten durch Züchtung stabilisieren, bei natürlicher Vermehrung über Samen gehen sie meistens verloren. Also: Ableger, Stecklinge ziehen, durch Teilung vermehren. Es bleibt anzumerken, dass Pflanzen mit panaschierten Blättern mehr Licht brauchen als ihre natürlich grünen Kolleginnen. Je weniger grün die Blätter, desto mehr Licht in nötig – die wenigen grünen Blattbereiche müssen ja ausgleichen, was die hellen nicht mehr können, nämlich Photosynthese betreiben.

Auch bei Blüten kommt Variegation vor, etwa bei Rembrandt-Tulpen (oben links) oder bei Kamelien (oben rechts).

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