Staunend habe ich in der Süddeutschen Zeitung (Druck-Ausgabe vom Mittwoch, 26. Juni 2024, Seite R2) gelesen, dass die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) sich in der Großstadt München etabliert hat. In mehreren Stadteilen sei sie anzutreffen.
Der Grund dafür ist wohl die Veränderung der klimatischen Bedingungen, denn die Ragwurzen wünschen es schön warm, milde Winter und nicht zu kühle Frühjahrsbedingungen. Ein Segen des Klimawandels?
Doch der Klimawandel kann auch zum Fluch werden, wenn nämlich starke und lang anhaltende Trockenperioden es den Knollen der Ragwurzen schwer machen, zu überdauern. Noch gefährlicher für das Bestehen wirkt sich allerdings die Zerstörung der Lebensräume aus. Da die Orchideen außerhalb der Blütezeit völlig unscheinbar sind, werden sie leicht zertreten, und auch mit dem Erhalt von Magerwiesen ist es mancherorts nicht gut bestellt.
Zudem kommen Ragwurzen niemals in größeren Beständen vor, sondern wachsen eher vereinzelt, sind also von Natur aus selten. Warum? Weil sie Bienenmännchen hereinlegen, um die Bestäubung zu sichern. Wer aber hinterlistig ist, fliegt schnell auf, wenn er das zu häufig macht. Die Orchideenblüten dürfen es also nicht übertreiben, sonst kommen vielleicht, inzwischen schlau geworden, gar keine Bienen mehr zu ihnen. Oder die Bienenmännchen fliegen nur noch zu den Orchideenblüten und vergessen darüber die Weibchen. Auch blöd, denn dann gibt es keinen Bienennachwuchs mehr. Diese Eigenart hat auch die Bienen-Ragwurz beibehalten, obwohl sie mehr auf Selbstbestäubung denn auf Fremdbestäubung durch Insekten setzt.
Wie es diese außergewöhnlichen, wie alle Orchideen streng geschützten Pflanzen schaffen, plötzlich in die scheinbar unwirtliche Metropole vorzudringen? Mit ihren äußerst feinen Samen, winzig wie Staubkörnchen, können sie mit dem Wind in alle Winkel der Erde verteilt werden, sogar der Jetstream hilft auf der Langstrecke mit. Dann aber ist es große Glücksache, denn an einem geeigneten Ort müssen die Samen auf die passenden Pilze im Boden treffen, mit denen sie zusammenleben. Und das Klima muss natürlich stimmen.
Willkommen in München, liebe Bienen-Ragwurz – ich werde dich suchen! Gekommen, um zu bleiben?