Lärchenwinter, Teil 3

Aus dem Regen wurde Graupel, aus Graupel schließlich Schnee. Nass und schwer setzten sich die Flocken auf die Äste der riesigen Tanne. Klebten sich an, häuften sich auf. Sanftmütig wie die Tanne war, duldete sie den Schnee auf ihren weichen Nadeln. Besser eine Schneejacke als gar kein Gewand. Der Schnee pappte die Nadeln zusammen, packte die Äste massig ein. Nach einer Weile ächzte die Tanne unter der schweren Last. Geriet fast ins Wanken. Und knarzte um Hilfe. Die Lärche litt mit der Tanne, aber nur tief in ihrem hölzernen Innern und auch nur einen kurzen Moment. Schon freute sie sich ausgelassen am kreiselnden Flockenwirbel um ihre Krone, am strahlend weißen Teppich über ihren Wurzeln.

Rasch wurde es dunkel im Wald, die Sonne verabschiedete sich nicht lange nach Mittag. Die längste Nacht, die Wintersonnenwende stand kurz bevor. Düster am Tag, schwarz in der Nacht, das macht schwermütig, schläfrig. Die Lärche reckte ihren Wipfel empor und bestaunte ehrfürchtig den Sternenhimmel, der nie so funkelte wie um diese stille Jahreszeit. „Siehst du den Orion, wie er den Großen Bären jagt?“, wollte die Lärche von der Eibe hinten wissen. Aber die Eibe antwortete nicht, sie stand nur da und wachte stumm.

Der Lärche war langsam gar nicht mehr heiter zumute. Alle Bäume duckten sich unter der Macht des Winters, beschwerten sich über seine Launen und verabscheuten die Jahreszeit. Ahorn, Ulme, Pappel und Birke hatten sich ihrer Blätter entledigt, weil sie der Kälte nichts entgegen setzen konnten. Ihre Zweige zitterten vor Kälte und Furcht. Buche und Eiche verharrten reglos, als sei das Wasser in ihren Adern gefroren. Litten still unter Eis und Schnee. Fichte, Kiefer und Tanne behielten trotzig ihr Nadelkleid, was sie aber nicht wärmte. Stoisch fügten sie sich der Unbilden. Und die Eibe? Von der wusste man nichts, sie schlief wohl. Seufzend ließ die Lärche ihre von knubbeligen Triebknospen besetzten Zweige hängen. So machte der Winter keinen Spaß. All ihre Lebensfreude war Trübsinn gewichen.

Fortsetzung morgen…

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