Schaumschlägerei

Ach, was war es trübe. Nach den langen Wochen voller dicker Wolken, schwerer Schneeflocken und dunkler Regentropfen, eisiger Kälte und bleierner Nebel hatte das Blau des Himmels seine azurblaue Strahlkraft eingebüßt. Der winterliche Grauschleier überzog das Firmament. Selbst die Sonne vermochte die Düsternis nicht zu durchdringen. Entsprechend gedrückt war die Stimmung allerorten. Das irdische Leben schien erstorben, das himmlische Treiben erlahmt.

Der Frühlingswind, ein kleiner Springinsfeld, aber säuselte zwischen dem Dunst umher und versuchte, die schwermütigen Engelchen zu erheitern. Aber die winkten nur müde ab und seufzten. Hier oben ist alles Grau in Grau, und schaut nur, Mutter Erde geht es nicht besser. Trist graubraun ist ihr Kleid, trauerschwarz das Muster, freudlos ihre matten Pflanzenhaare, über allem liegt ein grauer Schleier. Die kannst du schwacher Brisenjüngling auch nicht aufrichten. Der Frühlingswind aber plusterte seine Bäckchen auf und pustete, so fest er nur konnte. Die Engelchen versteckten sich griesgrämig in ihre winterwattewarmen, aber stark ergrauten Wolken. Immer mehr lüftete der Frühlingswind durch, bis sich endlich ein Wolkenloch auftat.

Blassblau schimmerte es zwischen den aschgrauen Schwaden, ein lichter Sonnenstrahl flimmerte sogar hindurch. Windhauch und Sonnenglanz weckten Petrus auf, der hinter steingrauen Haufenwolken völlig erschöpft vom Weihnachtstrubel in tiefen Schlaf versunken war. Was ist denn hier los? Wo sind denn die Engelchen? Warum versinkt alles im Grau? Eilig kam der Frühlingswind herbei geweht und fächelte Petrus aufgeregt ins Ohr, dass Tristesse sich immer breiter mache und alle Engel tatenlos zusähen.

Petrus rief nach seinem Himmelgefolge. Er wies den Frühlingswind an, kräftig durch die Wolkenschafe zu wirbeln, dass die Engelchen nur so heraus purzelten. Bald wurde es munter, und zwischen all dem Grau taten sich immer mehr zartblaue Lücken auf. Hier und da leuchtete die Sonne schon primelgelb bis zur Erde hinunter. Schluss mit müde, Ende mit grau, jetzt wird Frühlingsputz gemacht. Petrus wies seine Engelchen an: Wolken weißwaschen, Himmelszelt klar wischen, Sonnenstrahlen glänzend polieren.

Langsam kam das Großreinemachen in Schwung. Mit vereinten Kräften wurde gescheuert, gebürstet, geschrubbt, gefegt, gekehrt, geklopft, gespült und gerieben. Doch der Grauschleier war hartnäckig. Seife sollte helfen. Das kleinste Engelchen, fast noch ein Bengelchen, wurde geschickt, Seifenkraut zu holen und ordentlich Schaum zu schlagen. Es tat wie ihm geheißen. Doch als es den großen Eimer voller Schaum heranschleppte, kippte der um und alles ergoss sich über den Himmel. Die Wolken tropften bald vor lauter Nässe, Schaumhäufchen quollen heraus, die ersten fielen zur Erde hinunter. Erschrocken versuchte das Engelchen, den Schaum mit seinen kleinen Händen aufzusammeln, aber oh Schreck, dabei entstand nur noch mehr Schaum. Der Frühlingswind eilte herbei und wollte helfen, den Schaum in den Eimer zu blasen. Doch dadurch zerstob der Schaum in alle Himmelsrichtungen.

Das Engelchen fing vor lauter Verzweiflung an zu weinen. Die Tränen ließen die Seifenwolken nur noch mehr schäumen. Nicht lange, da regnete und schneite es überall Schaum zur Erde. Herrjemine, und jetzt? Petrus wird furchtbar schimpfen, der Frühlingswind wird es ihm sicher gleich petzen, jammerte das Engelchen. Und es tropfte, triefte, träufelte, blubberte und wallte weiter. Unten auf der Erde konnte man schon sehen, wie die Schaumtropfen die Wiesen sprenkelten.

Nach und nach bemerkten die anderen Engel, welches Malheur dem kleinsten unter ihnen passiert war. Schließlich kam auch Petrus herbei. Alle schauten ratlos auf die Schaumpfützen am Himmel und durch die Wolkenlücken nach unten. Los, los, aufwischen, rief Petrus. Nehmt die dicken Wolkenbäusche, die saugen am besten. Die Engel gingen ans Werk und hatten mit vereinten Kräften den Himmel bald trockengelegt. Da versiegten auch die Tränen vom kleinen Engelchen, das sich aber immer noch als Bengelchen fühlte und darauf wartete, dass Petrus ihm nun die Leviten las.

Schaut mal, rief da der Frühlingswind, der geschwind zur Erde geflogen war, um sich die schäumende Bescherung anzusehen. Schaut doch nur, wie Mutter Erde aussieht! Alle Engelchen drängelten sich vor. Und sieh an, ihr vormals braunes, schwarz gemustertes, angegrautes Kleid war hellgrün geworden, wie frisch gewaschen. Statt der Schaumhäufchen trug es jetzt zarte weiße Blüten. Eine jede mit zierlichen veilchenblauen Adern. Was für ein fröhliches Bild, frühlingshaft eben.

Die Engel klatschten begeistert in die Hände. Auch hier im Himmel wirkte alles frisch gewaschen, waren die Wölkchen lilienweiß und das Himmelzelt enzianblau, die Sonnenstrahlen funkelten überirdisch safrangelb. Der Schaum hatte gewirkt. Selbst Petrus vergaß zu schimpfen und sah sich nur noch zufrieden um. Beschwingt tanzten die Engel um das Engelchen, ließ der Frühlingswind blaue Bänder um sie flattern.

Und Mutter Erde? Zeigte ihre überschäumende Lebensfreude, ließ Schaumkraut blühen. Ab und zu streichelte der Frühlingswind zärtlich die Blüten, täglich länger ließ die Sonne sie in ihrem goldenen Glanz strahlen. Der Frühling war mit überschäumender Freude eingekehrt.

Ob Wiesenschaumkraut, Gartenschaumkraut oder Bitteres Schaumkraut – alle sind mir als schäumende Überbleibsel vom Großreinemachen im Himmel wie als Frühlingskünder willkommen. Ihnen sicher auch, oder?

Dieses wie viele weitere Märchen aus meiner Feder, ergänzt mit Artbeschreibungen und Rezepten gibt’s in “Das wilde Kräuterbuch” – zu bestellen nur bei mir im Büchershop.

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