Weihnacht im Wald

Auch heuer darf ich auf Bayern 1 wieder eine meiner Weihnachtsgeschichten vorlesen – am 24. Dezember. Außer mir lesen noch viele andere Leute lustige bis nachdenkliche Geschichterln vor. Zuhören, die schönste Art, aufs Christkind zu warten…

Und hier kommt meine Geschichte zum Nachlesen:

Weihnachten im Wald
Draußen im Wald. Der Tag war schon im Schwinden begriffen, an diesem 24. Dezember. Weihnachten, jedes Jahr das Gleiche. Na und? Aber es ist doch nur einmal im Jahr Weihnachten, das muss doch gefeiert werden! Und wozu der Aufstand? Kommt doch eh’ keiner. Dann halt für uns, ganz allein für uns. Das lohnt doch den Aufwand nicht, nachher heißt es wieder nur, nichts gewesen außer Spesen. Aber auch Knecht Ruprecht sagt, dass Weihnachten ist.
Der letzte Einwand fand Gehör. Knecht Ruprecht, der von drauß’ vom Walde kommt, auf den muss man hören. Auf der Stelle waren alle, wirklich alle eifrig bei der Sache. Lasst uns schnell dafür sorgen, dass es weihnachtet, im Wald. Jeder muss etwas geben!
Ich breite eine samtige Decke auf dem Boden aus – sagte das Moos und ließ seine vielen Ärmchen wachsen.
Wir sorgen fürs Muster darauf – riefen die Pilze und sprossen im Kreis aus dem Boden.
Von mir bekommt ihr rote Kugeln – meinte die Wildrose, an deren Zweigen noch viele schöne Hagebutten leuchteten. Von mir ebenso – stimmte der Weißdorn mit seinen letzten dunkelroten Früchten zu.
Ich spendiere Girlanden – eiferte die Brombeere mit ihren langen Ranken.
Da habt ihr Zapfen – ließ die große Fichte wissen, schüttelte ihre Äste und herab purzelten ihre Schätze.
Goldenen Flitter, den kann ich schenken – die Lärche ließ den Wind ganze Wolken von tiefgelben Nadeln aus ihrer Krone wehen.
Feinstes Gespinst wie Lametta – das wollte das Weidenröschen aus seinen Früchten geben.
Rotgoldene Blätter, geflügelte Nüsschen, polierte Eicheln – das lieferten Buche, Ahorn und Eiche dazu.
Und ich setz’ was Grünes darauf – hörte man vom kleinen Sauerklee, der sich reckte und streckte, um nur ja noch ein Blättchen zu spenden.
Kerzen, noch Kerzen – schallte es von den Gräsern, deren Ähren in den letzten Sonnenstrahlen aufleuchteten.
Wir lassen es duften – versprühten die Tannen ihr Aroma.
Und ich, was soll ich geben – flüsterte die kleine Fichte mitten auf der Lichtung. Fast tropften ihr Tränen von den Nädelchen. Ich hab’ doch nichts, ich brauch doch meine Zweiglein selber. Erst gestern haben die Rehe mir was weggebissen. Aber ich will doch auch, dass es weihnachtet!
Du brauchst nichts geben, meinten die großen Bäume ums Fichtenkindchen. Du bekommst all unsere Gaben und trägst sie – zu Ehren der Weihnacht. Hei wie da die kleine Fichte zu strahlen begann. Aufgeputzt mit allen Kostbarkeiten, die der Wald zu bieten hatte, war es das schönste Weihnachtsbäumchen auf Erden. Die Mutter des Waldes, die Buche, ließ noch einen rehbraunen Eckernhut als Stern auf die Spitze der kleinen Fichte fallen.
Die Nacht brach an. Feierlich wogten die großen Bäume rund ums geschmückte Fichtenbäumchen, neigten sich die Sträucher, flatterten die Grashalme. Der Wind spielte eine melodische Weise, der Mond versilberte die Stimmung. Allüberall auf den Tannenspitzen sah man goldene Lichtlein glitzern, die Sterne. Weihnacht im Wald. Und droben aus dem Himmelstor…
Woher ich das alles weiß? Na, an Heiligabend kann man den Wald erzählen hören. Und wer mit dem Herzen schaut, sieht sogar, wie der Wald Weihnacht feiert.

1 Gedanke zu „Weihnacht im Wald“

  1. Vielen Dank für deine tollen Geschichten, wünsche uns noch viele Geschichten von dir und dir und deiner Familie noch schöne Festtage.
    Liebe weihnachtliche Regina

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