Süßes, bitter erkauft

Stevia. Süßblatt. Honigkraut. Stevia rebaudiana, ein südamerikanischer Korbblütler, hat sich schon mehrere Jahre im Kräutersortiment etabliert. Die Blätter schmecken süß, etwas lakritzartig, und werden als Zuckerersatz verwendet – kalorienfrei, zahnfreundlich. Natürlicher Süßstoff. Lange war Stevia bei uns als Lebensmittel nicht zugelassen, seit 2011 ist der aus den Blättern gewonnene Süßstoff in der EU unter E 960 als Lebensmittelzusatzstoff erlaubt. Na super! Aber hinter all der Süße verbirgt sich oft bittere Wahrheit und hinterlässt einen herben Geschmack, wirkt sich säuerlich auf die Laune aus und salzt die Preise.

Von wegen “natürlich”

Stevioside oder Steviolglycoside werden von der Industrie mit großem Aufwand gewonnen. Auszug aus der Patentschrift (EP-Veröffentlichung 0335265): “Zur Gewinnung von Süßungsmitteln aus Stevia rebaudiana werden die Pflanzenteile, üblicherweise die getrockneten Blätter, mit Wasser oder organischen Lösungsmitteln wie Alkoholen extrahiert. Die Extrakte werden anschließend zur Reinigung und Anreicherung der für die Süßkraft entscheidenden Inhaltsstoffe verschiedenen Raffinationsprozessen unterzogen, die den folgenden Verfahrenstypen zugeordnet werden können: Ausfällung von Verunreinigungen mit Hilfe von anorganischen Salzen und anschließende Nachbehandlung des Extrakts mit Ionenaustauschern; Ausfällen der Verunreinigungen durch gezieltes Verändern des pH-Wertes; Ausfällen unerwünschter Begleitsubstanzen durch Aggregation an Polymere oder feste Adsorbenzien; Aufreinigung durch Chromatographieverfahren; Aufreinigung durch Adsorption von Pigmenten; Flüssigextraktion; Elektrophoreseverfahren; Membranfiltration.”

Von wegen zuckerfrei

So viel zu “natürliche Süße”. Das weiße Pulver, Puderzucker nicht unähnlich, kann bis zu 300mal süßer als Zucker schmecken. Hängt von vielen Faktoren ab, z.B. der Sorte der angebauten Steviapflanzen, der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe. In hoher Dosierung schmecken Stevioside bitter, in Kombination mit einigen Lebensmitteln wie frischer Milch entwickelt sich ein – sagen wir mal – merkwürdiges Aroma. Ein paar Worte zu Verarbeitung und Abfüllung. In vielen Packungen, die vollmundig mit natürlicher Süße, rein aus Pflanzen, gewichtsreduzierend oder sonst was werben, stecken neben den Steviosiden auch noch so manche anderen Dinge drin. Neben Celluslose oder Erythrit (Zuckeraustauschstoff) beispielsweise auch Zucker. Halt, kein Haushaltszucker, der müsste deklariert werden. Aber andere Zucker, z.B. Fruchtzucker, Glucosesirup, Isomaltose, Maltodextrin. Solche Zuckerarten fallen laut unserer Lebensmittelverordnung nicht unter “Zucker”. Deshalb darf da “zuckerfrei” drauf stehen.

Aber oftmals enthalten Produkte mit Stevia-Zusatz nur lächerliche 10 % weniger Zucker als solche ohne Stevioside. Also: Genau lesen, was in der Zutatenliste steht. Auch auf den ersten Blick “reine” Stevia-Süße, Pulver oder Tabletten, ist häufig gestreckt – mit was wohl?

Mir ist daher allemal lieber, dass ich ehrlich zum Zucker greife. Mir bewusst bin, was ich da ins Essen gebe. Oder? Und wenn schon Zuckerersatz, dann echte Stevia-Blätter, kein hochverarbeitetes Industrieprodukt.

8 Gedanken zu „Süßes, bitter erkauft“

  1. Hallo,

    ja, du hast recht, dass Stevia in dieser Form genau so schlecht ist wie Zucker.
    Aber es geht auch anders. Vor zwei oder drei Jahren habe ich mir 1kg getrocknete Stevia Blätter gekauft – das reicht mir wahrscheinlich bis zur Rente ;-).
    Zum einen kann man diese getrockneten Blätter dann direkt in Tee geben.
    Zum anderen kann man sich einen Auszug damit machen. Etwas Wasser mit Steviablättern ca. 10min auskochen und eine halbe Stunde ziehen lassen. Diesen Sud dann abseien und im Kühlschrank aufbewahren. Ein Teelöffelchen reicht aus um z.B. ein Haferl Kaffee zu süsen.
    Man muss also nicht immer auf das Industriezeugs zurückgreifen.

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  2. Vor mehreren Jahren bereits habe ich heimische Versuche mit Stevia gemacht. Ob als grüne Pflanze, Pulver oder auch in flüssiger Form…, ich bin mit dieser Süßkraft nicht zurechtgekommen. Da ich einen Diabetiker in der Familie bekoche, wärs je eine feine Sache. Wir sind wieder beim alten, bewährten Haushaltszucker angekommen. Allerdings: weniger davon ist jetzt angesagt. Und, es schmeckt ! Die Geschmacksnerven haben sich bei allen Familienmitglieder recht schnell darauf eingestellt, natürlicher ist er auf jeder Fall.

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  3. Hallo Karin,

    ich seh das genauso kritisch wie du. Und ich bin sehr froh, deine Zeilen hier zu lesen.
    Ach wie wurde und wird Stevia gepriesen!
    Ich wurde bereits dafür angefeindet, dass ich nicht pro-Stevia eingestellt bin.
    Zuerst der Vitamin-Hype aus Amerika und jetzt der Stevia-Hype. NEIN DANKE!

    Ich mochte schon als junges Mädchen keinen Zuckerersatz (Saccharin), es schmeckte nur chemisch-metallisch. Und genau daran erinnert mich der Geschmack von Stevia. Ich habe Blätter frisch, getrocknet oder Steviapulver probiert! An so einen Industriegeschmack möchte ich mich nicht gewöhnen.
    Ich mag Tee oder Kaffe ungesüsst.
    Und zum Backen verwende ich auch lieber Haushaltszucker, Fruchtzucker oder Birkenzucker aus Europa.

    Lieben Gruß Alexia

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    • Danke, liebe Alexia, für Deinen ausführlichen Kommentar. Zucker ist wirklich ein heißes Thema, da gibt es noch so einiges zu berichten. In den nächsten Tagen mehr dazu…
      Nur so viel schon mal: Birkenzucker wird höchst selten aus Birken gewonnen! Vielmehr handelt es sich bei Birkenzucker oder Xylit um einen energetisch wie chemisch sehr aufwändig gewonnenen Stoff. Meistens aus Abfall… z.B. aus Maisspindeln. Und die können sogar von Gen-Mais stammen, das Xylit mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen gewonnen werden, weder das eine noch das andere ist kennzeichnungspflichtig.
      Bleiben wir doch beim Honig! Oder bei selbst eingedickten Früchten wie Zwetschgen oder dem traditionellen Kloatznmehl.

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  4. Also ganz ehrlich: meine Geschmacksnerven kann ich mit Stevia nicht beglücken. Ebenso mag ich aber auch andere künstliche Süßstoffe nicht (die jeweils ihre eigenen Problematiken haben). Wo es dazu passt süße ich gerne mit Honig, Apfelsaft, Birnensaft oder Rohrohrzucker und nehme zum Kuchenbacken den “guten, alten” klassischen Zucker, dafür immer etwas weniger und uns geht es auch so, wie Renate schreibt. Solange sich der Konsum von Süßem insgesamt in einem vernünftigen Rahmen bewegt und man seine Gelüste lieber gleich mit frischem Obst und Selbstgemachtem stillt als mit süßen Industriesnacks, sehe ich kein ernsthaftes Problem in der Verwendung von Haushaltszucker – in doppelter Weise nicht, wenn man sich ansonsten gesund und abwechslungsreich ernährt.
    Natürlich keine Lösung für Diabetiker oder Allergiker, aber wie so oft ist uns auch hier nicht die Eier legende Woll-Milch-Sau geschenkt…

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  5. Es geht auch anders aber das will der Handel nicht wisssen.

    steviola® besteht nur aus reinpflanzlichen Steviolglycosiden plus Erythritol. In steviola verstecken sich weder Zucker noch künstliche Süß-, Aroma- oder Farbstoffe. steviola ist 100% frei von Maltodextrin,
    Hefe, Gluten, Milch, Eiern und Soja.

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  6. …und – meine Meinung – schmeckt trotzdem nicht! Hat einen deutlichen cooling effect, einen merkwürdigen Nachgeschmack. Und besteht zum überwiegenden Teil eben aus Erythrit, wieder ein so waaaahnsinnig “gesunder” Zuckerersatz. Erythrit oder Erythritol wird wiederum höchst aufwändig aus Weizen- oder Maisstärke gewonnen, unter Einsatz von Mikroorganismen. Ähnlich wie die Stevioside.
    Und wozu weist man hier ausdrücklich darauf hin, dass es frei von MALTODEXTRIN, HEFE, frei von GLUTEN, frei von MILCH und frei von SOJA sei? So was hat doch in einer Süße ohnehin nix, aber auch schon gar nix verloren. Und wie steht das mit anderen Zutaten? Warum wird da nicht eigens davon gesprochen, dass das Produkt FREI davon ist?
    Ich kann gut darauf verzichten, auf steviola und alle anderen solchen Produkte. Sie sind doch eigentlich nur eines: TEUER!

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