Linden-Plauderei

Es ist Juni – Lindenzeit. Auf dem Dorfplatz zeigt sich die alte Linde in all ihrer Pracht. 300 Jahre kommt sie, 300 Jahre bleibt sie, 300 Jahre geht sie, sagt der Volksmund – wie alt diese Linde wohl sein mag? Keiner weiß es, doch sie strotzt vor Lebenskraft, denn überall sprießen frische Triebe mit schönsten Blättern. Doch sie wird schon ein paar hundert Jährchen auf dem Buckel, besser gesagt Stamm haben…

Da erscheint mir meine Lebensspanne wie die einer Eintagsfliege. Ehrfürchtig setze ich mich auf die Bank unter die Krone des majestätischen Baums, dem aus dem herrschaftlichen Geschlecht derer von Tilia. Was könnte sie mir doch erzählen, die Linde? Dass eine ihrer Ahnen einst den heldenmütigen Siegfried beim Bade im Blut des Lindwurms beobachtete? Und ein Blatt hinunter segeln ließ, genau zwischen die Schulterblätter des Jünglings? Dass unter den Kronen ihrer Schwestern Gericht gehalten, in den Sommer getanzt, so mancher Kuss getauscht wurde. Baum der Herzen, Baum der Liebenden.

Wohl unter Linden, zur Abendzeit, da werden Sie mich finden – unter den Linden. Vor allem, wenn die Linde zu blühen beginnt. Welch ein Schauspiel, welch ein Reigen! Unzählige Blütenprinzesschen mit zierlichen Staubblattkrönchen schaukeln an Flügelblättern, sachte bewegt von einer lauen Brise in der warmen Abendsonne. Fein golden gepudert ist jedes Prinzesschen, jedes duftet süß wie Honig. Königinmutter, die alte Linde, trägt ihre zarten Blütenkinder mit starkem Stamm. Lindgrün schimmert ihr prächtiges Blättergewand. Es fühlt sich an wie seidiges Musselin, ist gewirkt aus unzähligen, fein ziselierten Blättern – ein jedes in Form eines Herzens.

Blütenfest im Lindenschloss: Herzenblattreich gibt sich die Majestät, aber kein bisschen abgehoben, sondern im Gegenteil sehr volksnah. Es summt und brummt, es surrt und schwirrt zwischen ihren Ästen. Das fliegende Völkchen der Insekten kommt, um den Prinzesschen den Hof zu machen. Tiefer Knicks, ehrerbietiges Flügelsurren zur Vorstellung, Rüsselchen zum Küsschen – für ein Portiönchen Blütenstaub, ein Schlückchen Nektar. „Vivat Tilia – lang lebe die Lindenkönigin!“ klingt der Trinkspruch tausendfach durch die Zweige.

Liebkost von den geflügelten Galanen, das sich nur allzu bald schon wieder anderen Blütenschönheiten zuwendet, werden aus den zierlichen Lindenprinzesschen bald schwangere Hoheiten. Rund wird ihr Bäuchlein, es reifen die Lindenkinder in den Nüsschen. Rehbraun färben sich die Hüllen, lindgelb die Tragflügel der Lindenkinderwiege.

Geduldig hält die Königinmutter, die alte Linde, die Früchteschar unter ihrem Herzblattmantel beschützt, bis – ja bis der raue Herbstwind kommt und die Kinder der Baummutter entreißt. Sie hinausjagt in die weite Welt, ein eigenes Lindenleben zu versuchen.

Linden-Lächeln: Doch noch verschwende ich keinen Gedanken an die Stürme der Zukunft. Noch schwelge ich in Duft- und Klangwolken unter der Linde. Höre die Blütenprinzesschen wispern und tuscheln, ihre Bienenverehrer summen, ihre Hummelritter brummen. Fühle die wohlige Sonnenwärme dieses Abends und das Glück, das unter Linden erblüht.

3 Gedanken zu „Linden-Plauderei“

  1. Also brummen in der Abendszeit unter einem LINDENBAUM die Hummeln, richtig oder falsch???
    Ansonsten sind die Seiten auf Pflanzenlust.de sehr interessant und informativ!!!

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    • Ich verstehe die Frage nicht – in Lindenkronen sind zur Blütezeit Bienen unterwegs, das ist eine Insektengruppe, zu der neben den Honigbienen die Wildbienen und natürlich auch Hummeln zählen.

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