Der Giersch im Gedicht

GierschKaum zu glauben: Der Giersch hat dem Lyriker Jan Wagner mit seinem Band “Regentonnenvariationen” in diesem Jahr zum Leipziger Buchpreis in der Kategorie Belletristik verholfen. Giersch as its best!

Jan Wagner: giersch

nicht zu unterschätzen: der giersch
mit dem begehren schon im namen – darum
die blüten, die so schwebend weiß sind, keusch
wie ein tyrannentraum.

kehrt stets zurück wie eine alte schuld,
schickt seine kassiber
durchs dunkel unterm rasen, unterm feld,
bis irgendwo erneut ein weißes wider-

standsnest emporschießt. hinter der garage,
beim knirschenden kies, der kirsche: giersch
als schäumen, als gischt, der ohne ein geräusch

geschieht, bis hoch zum giebel kriecht, bis giersch schier
überall sprießt, im ganzen garten giersch
sich über giersch schiebt,ihn verschlingt mit nichts als giersch.

Jan Wagner: Regentonnenvariationen. Hanser Verlag

 

2 Gedanken zu „Der Giersch im Gedicht“

  1. Hallo Karin,

    Jan Wagners Gedichte sind einfach nur genial!
    Ich habe mir den Gedichtband besorgt und mich in die “Tassen” verliebt.
    Dieses Gedicht verführte mich dazu,
    es zuerst zu lesen, dann nochmal zu lesen,
    dann Vielerlei zu entdecken.
    Zum Schluss analysierte ich es bis auf jeden Zeilenwechsel, jeden Reim,
    jede Brücke zum Metaphysischen.
    Vielleicht entdeckte ich sogar Rhythmisches,
    das der Autor selbst nicht einmal beabsichtigt hatte.
    Ob ich ihm mal schreibe?
    Um ihm seinen tiefen und bleibenden Eindruck in meinem persönlichen Leseerleben mitzuteilen?

    Jan Wagners “Tasse” hier im Pflanzenblog – Thema verfehlt?
    Nö, man kann sie ja zum Gießen verwenden, darin Gierschblätter sammeln,
    warten, bis der Töpfer eine Schale töpfern darf, in die dann viel mehr Giersch hineinpasst.

    Unbedingt lesen!!!

    Die faz schreibt dazu (Zitat):

    “Begeisternd ist das erst, weil Wagner ein Meister der Form ist. Man darf sich aber die Form nicht nach dem Vorbild der Gussform vorstellen, in die man das Material einfüllt. Form ist das Material, mit dem es zu arbeiten gilt, die anregt, herausfordert. Sie ist nicht fertige Vorgabe, sondern sie entfaltet sich in der Fügung des Gedichts.”
    aus: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/jan-wagners-gedichtband-regentonnenvariationen-13182220.html

    So wie aus der Tassenform endlich eine Schalenform werden darf …

    Einen herzlichen Gruß,
    Ulrike – auch Garten- und Pflanzenfan

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